Die Templer im Languedoc
Auch im Languedoc waren auf den letztjährigen Reisen noch einige
Fragen offen geblieben, ausserdem wollte ich prüfen, ob sich die Präsenz der
Templer entlang der damals sehr wichtigen Fernstrasse, der via domitia,
auch auf der anderen Seite des Rhône feststellen lassen würde. Ich untersuchte
die Gegend um Béziers und Narbonne. Die Suche galt vor allem der in der
Literatur vielfach erwähnten aber auch heftig umstrittenen früheren Commanderie
Peirois. Von den erhaltenen Dokumenten weiss man, dass diese Commanderie
recht bedeutsam gewesen sein muß. Aber wo lag sie? Nur dass sie sich in der
Région Languedoc befinden würde, war klar.
Der Templer-Forscher George Kiess möchte diesen Ort gerne
in Bezug zu seiner Heimatregion bringen und sie damit in die Nähe des
Geheimnisses um Rennes-le-Château ziehen:
"Cette charte concerne le lieu
de "Peirois" (Peyrolles ?) ... in terminio quem vocant Peirois, in loco vocant
Pratum Alibarderium." (George Kiess, Des Templiers en Haut-Razès, Quillan, 1990,
S. 8)
Auch die Autoren Andrews und
Schellenberger setzen den Ortsnamen "Perois" einer (vermutlich der gleichen)
Übertragungsurkunde mit Peyrolles gleich, ohne für diese Behauptung allerdings
einen Beleg anzuführen (Richard Andrews und Paul Schellenberger, Das letzte Grab
Christi, London 1996).
Peyrolles ist u.a. ein kleiner Ort im
Departement Aude. Dort gibt es meinen Untersuchungen nach keine beweiskräftigen Spuren für
eine einstige Templerniederlassung. Der Forscher Émile Bonnet, Präsident der
archäologischen Gesellschaft von Montpellier schrieb 1934:
"La plus importante maison de l'Ordre du Temple dans le Narbonnais se
trouvait à Périeis, aujourd'hui sur le territoire de la commune
de Nissan (Hérault), ... Elle est désignée dans les textes sous le nom de
Petrosio, de Petrosiis, et encore de Peyrosio." (Les Maisons de l'Ordre du
Temple dans le Languedoc Méditerranéen, Nimes, 1934).
Diesem vielversprechenden Beitrag wollte ich
nachspüren. In der Nähe der Stadt Béziers im Departement Hérault befindet sich tatsächlich eine Gemeinde Nissan. Sie heißt heute Nissan-lez-Enserune. Dieser
Ort befindet sich unmittelbar neben der zunächst griechischen, später
gallo-römischen Siedlung Oppidum d' Enserune, direkt an der Strasse zwischen
Béziers und Narbonne, dem alten Fernweg via domitia.
Folgt man der Strasse weiter nach Südwesten,
findet man zwischen Nissan (Dept. Herault) und Coursan (Dept. Aude) - noch
auf dem Gebiet der Gemeinde Nissan-lez-Enserune, aber schon fast an der Grenze
zur Aude - tatsächlich einen winzig kleinen Ort namens 34440 Périès
(Templerorte haben oft drei gleiche Zahlen in der PLZ
).
Den nahmen wir ins näher unter die
Lupe. Man überquert eine Bahnlinie, findet zwei drei Weingüter und einen
winzigen Ort dahinter, mit einigen ca. 20 Häusern, zumeist aus dem 19. Jh. Ein
Teil des Ortes scheint im Karrée angelegt zu sein. Die Häuser gruppieren sich um
eine Art Platz und irgendwie fühlte man die Templerpräsenz mehr, als man sie
sah.
Klar wurde schnell, dass von dem Platz drei oder vier Pforten nach draussen
führten.

34440 Périès,
Westpforte
Auf dem Bild sieht man den
westlichen Eingang zum Hof. Die Fassade des Hauses links daneben zeigt einen
mittelalterllichen Rundbogen. Deutlicher zeigte sich das Mittelalter schon an
einem sorgfältig gearbeiteten Brunnen. Schilder gabs dazu aber keine:

Hinter dem Brunnen ist das Nordtor.
Man kann mit Mühe rechts von der Bildmitte noch einige Reste des Nordtors
erkennen.

Aber so richtig "templerisch" wollte das alles noch nicht recht
aussehen. Wir verliessen den innenhofartigen Platz
durch das Westtor, wendeten uns nach Süden und begannen den Ortskern zu umrunden.
Wir sahen auch nur Häuser aus dem 19 Jh. Als wir aufgeben wollten, kam das ins
Blickfeld:

chapelle des Templiers,
34440 Périès,
Ansicht von Südwesten
Hier gelang mir eine echte Premiere. Es ist das erste mal, dass
ein Bild dieser Kapelle von Périès im Internet veröffentlicht wird. Der geneigte
Leser mag sich vorstellen, in welche Aufregung man durch den Anblick einer solch
unerwarteten "Jagdbeute" versetzt wird. Das Glücksgefühl, was einen anlässlich
so einer "Entdeckung" durchströmt, rechtfertigt alle vorherigen Strapazen solch
weiter Reisen.
Aubarbier schreibt über Périès: ..
la plus riche commanderie du Bas-Languedoc, commune de Nissan-lez-Enserune, qui
conserve son enclos fortifié, un vieux puits et une eglise du XIIIe siècle au
chevet à sept pans.
... die reichste Komturei des Nieder-Languedoc, in der Gemeinde
Nissan-les-Enserune, die sich ihren befestigten geschlossenen Bezirk erhalten
hat, einen alten Brunnen und eine Kirche aus dem 13 Jh., mit einer
siebenseitigen Chorapsis. (Für das frz. Wort enclos gibt es keine rechte
Übersetzung, hier am ehesten vielleicht Klosteranlage, sonst ummauertes Gehöft).
Chorapsis von Osten:

Detail von der Westfassade:

Mit "google maps" bekommt man eine wunderbare Draufsicht auf den
Ortskern von Périès, dem alten enclos du Temple

Copyright: google maps
Mit rot habe ich hier noch die Lage des Brunnens und der Kapelle
bezeichnet. Die Eingänge von Norden und Westen sind klar zu erkennen, der
Südeingang ist andeutungsweise zu ahnen. Ein Osttor gab es möglicherweise nicht.
Insgesamt ist festzustellen, dass weder der Ortskern noch die Kirche nach den
Himmelsrichtungen ausgerichtet wären..

Das wäre nicht etwa eine Besonderheit. Obwohl der Magnetkompass
im Mittelalter schon recht bekannt und die Benutzung des Standes der
Mittagssonne alltäglich war, kann man bei einem Grossteil der mittelalterlichen
Sakralbauwerke - die an sich nach Osten ausgerichtet sein sollten - einen gewissen Versatz zu der Ost-West-Achse feststellen.
Das liegt gewiss an unberechenbaren Faktoren wie dem Bauuntergrund, der Lage
schon vorher vorhandener Strassen und Wege und vor allem der Grundstücksgrenzen.
So etwas lässt sich auch am Stadtbild moderner Grosstädte feststellen.

Cassini-Karte von Périès
Als weiteren Beweis für die Lage der gesuchten Komturei in
diesem Ort zeige ich noch diesen Ausschnitt aus der sog. Cassini-Karte von 1759.
Unter dem Ortsnamen "Periex" finden sich die vier Buchstaben "Comm." was die
Existenz der Commanderie an diesem Ort abschliessend beweist. Der See am linken
Bildrand, beschrieben in dieser und auch in aktuellen Karten noch als L'Etang de
la Grangette, ("Grange" = Scheune nennt man auch landwirtschaftliche
Untereinheiten der Templer) ist heute weitgehend ausgetrocknet. Seine ursprüngliche Lage wird
noch durch den Verlauf zweier Entwässerungsgräben kenntlich gemacht. Auf den google Satellitenbildern kann man noch zahlreiche Tümpelchen an der Stelle
entdecken, die früher der See eingenommen haben muß.
Folgender Link zeigt die Cassini-Karte von der Umgebung des
Ortes:
http://www.notrefamille.com/34440-nissan-lez-enserune/cassini-cartes-58-8-4-ville-village.html
Damit war ein Teil des Rätsels um Peirois
gelöst, aber noch nicht das Rätsel um die Nennung des Ortsnamens Peyrosio.
Bonnet beschwert sich in seinem zitierten Buch, dass seine beiden Autorenkollegen
Léonard und Sabarthès diesen Ort identifiziert hätten mit
Peyrens,
einem hameau (Weiler), der sich auf dem Gebiet der Gemeinde Bizanet
befände.
Die Nachschau ergab ein Peyrens bei
Castelnaudary und eines bei Villerouge-Termenes, alles viel zu weit weg. Den Ort
Bizanet gibt es selbstverständlich, er ist nahe bei Narbonne, aber man findet
auch in der hochaufgelösten Karte kein hameau Peyrens bei Bizanet.
Bonnet schreibt:
".. si on se réfère à la carte de Cassini, on peut constater qu'il existait
une commanderie à Perieis, alors qu'à notre connaissance aucune tradition ne
place une maison du Temple a Peyrens. Enfin tous les textes connus invitent à
rechercher la domus de Petrosio dans les environs de Béziers et
non dans le voisinage de Narbonne."
(Wenn man die Cassini-Karte nimmt, kann man bestätigen, dass in Perieis eine
Komturei bestand, ferner gibt es unseres Wissens nach keine Überlieferung eines
Templerhauses in Peyrens. Schliesslich laden alle bekannten Texte dazu ein, das
domus de Petrosio in der Umgebung von Béziers zu suchen und nicht in der
Nachbarschaft von Narbonne.)
Die modernere Forschung scheint ihn widerlegt zu
haben.
Aubarbier schreibt über Peyrens:
De Narbonne dépendaient deux autres commanderies: Peyrens, sa jumelle, sur la
commune de Bizanet...
Auch nach Daniel Gaillard, Les haut-lieux Templiers, Nimes, 2005, Seite 425,
befindet sich ein Peyrens auf dem Gemeindegebiet von Bizanet im Canton Narbonne.
Die Templer von Peyrens hätten sich in 1261 zusätzlich noch in Laroque-de-Fa
niedergelassen.
bei
http://templis.free.fr/r_langue.htm heißt es trocken:
"- Peyrens, Bizanet, Narbonne, Commanderie"
zusätzlich wird Périès bestätigt:
"- Périés, Nissan lez Enserune, Commanderie principale, reste l'enclos
fortifié, un vieux puits & la chapelle du 13e."
Ein Grund, sich in Bizanet näher umzusehen. Das
findet sich etwa 25 Km (Eine Tagesetappe !) südwestlich entlang der alten Trasse der via domitia in
der Nähe des bekannten Inqusitionsklosters Fontfroide. Hier stiess die ebenfalls
von den Römern befestigte Fernstrasse zum Atlantik über Toulouse und Carcassonne
auf die via domitia, die sich dort weiter an der Küste nach Süden über Perpignan
zur (heutigen) spanischen Grenze erstreckt. Der Grossteil der Santiago-Pilger
aber verliess hier die via domitia, um dieser einmündenden Fernstrasse in
Richtung Atlantik weiter zu folgen. Das zeigt die ungeheuer wichtige Bedeutung
diese Wegekreuzes für das mittelalterliche Fernstrassennetz. Es verwundert
nicht, dass sich die Templer gerade diese wichtige strategische Stelle für eine
ihrer Niederlassungen aussuchten.
(Apropos: Habe ich schon erwähnt, dass es in
Frankreich vielleicht mehr Niederlassungen des Templerordens [Man schätzt die
Anzahl der commanderies dort auf bis zu 1600] gab, als Filialen einer
weltbekannten US-amerikanischen Gaststättenkette für Schnellgerichte oder als
Niederlassungen eines bekannten, mit einem roten Buchstaben beworbenen französischen Netzwerk-Systems von
Supermärkten?)
Der mutmassliche Templerort Nevian liegt
auch an dieser Wegverzweigung, aber dort war nichts templerisches zu finden.
Auch der Ort 11200 Bizanet erwies sich zunächst auch als Flop. Kein
Schild. Kein Hinweis auf die Templer. Eine Kirche, garantiert nicht aus der
Templerzeit. Mehr eigenmächtig "zog" uns das Navi nach Süden aus der Gemeinde
heraus. Ehrlich gesagt gelüstete es uns auch schon eher nach einer gepflegten
Abendmahlzeit unter Platanen. Und dann sahen wir ausserhalb des Ortes einen
Friedhof mit einer Ruine:

Das schien doch noch ein Volltreffer zu werden.
Auf dem Friedhofsgelände stand die Ruine einer Kapelle mit romanischem Schiff
und gotischer Chorapsis:

Zudem gab es Reste anderer Gebäude
bei der Kirchenruine zu entdecken. Anbauten, die nicht sakralen zwecken dienten.
Sind das vielleicht die Reste der ehemaligen logis des Kommandeurs? Wie das bei
einer bedeutenden Templerkomturei zu erwarten wäre?

Es gab zwar kein Hinweisschild auf
die Templer, aber die Grösse des Areals entsprach durchaus einer Komturei,
ausserdem befanden sich noch weitere Gebäudereste in der Nähe der Kirche, die
weder neben einer Kirche noch auf einem Friedhof etwas verloren hatten und
vielleicht die Scheune und andere Nebengebäude der Komturei darstellten. Von der
Größe her passte das wunderbar zusammen.

Komturei von Peyrens/Bizanet?

Es beschlich uns das Gefühl, hier Neuland entdeckt zu haben.
Aber es ist bislang nur pure Theorie, wir fanden nicht einen einzigen Beweis.
Dennoch war das ein gelungener Tag und hat uns grossen Spass gemacht. Nach einem
Pastis unter Platanen und einem anschliessenden üppigen Abendmahl zog ich
folgendes
Fazit:
1. Es gibt in 34440 Périès (Hérault) eindeutige Reste, die den
Schluß zulassen, dass hier eine ausserordentlich mächtige Commanderie errichtet
worden war. Die Commanderie lag nicht irgendwo, sondern genau an der Strecke
zwischen Béziers und Narbonne und damit auf der Trasse der via domitia,
die die Römer zwar befestigt, aber nicht gebaut haben. Diese Fernstrasse
existierte schon in vorrömischer Zeit, wie die unmittelbare Nähe zum
Oppidum von Enserune beweist. Auch im provenzalischen Teil der via domitia
reihen sich Keltenstätten an dieser Fernstrasse auf. Im Mittelalter verwandelte
sich die via domitia zu dem südlichsten Santiago-Pilgerweg durch Frankreich.
Damit unterstreicht sich die wichtige Funktion dieser Lage für die Templer.
2. Im Süden des Gebiets der Gemeinde 11200 Bizanet (Aude) -
ebenfalls an dieser Fernstrecke - befinden sich Reste mehrerer mittelalterlicher
Profangebäude und die Ruine einer Kirche aus dem 12./13. Jh., die in ihrer
Anordnung zueinander, ihrer Grösse und der Grösse des bestandenen Areals Anlass
für die Vermutung geben, dass es sich hierbei um die in der Literatur nur
schlecht beschriebene Komturei Peyrens in Bizanet handeln könnte.
3. Es gibt danach in relativer Nähe zueinander wohl zwei Templereinrichtungen im
Gebiet von Béziers und Narbonne, mit ähnlichem Namen. Ob es sich bei der einem
oder der anderen um das Petrosio gehandelt hat, vermag ich aus den
archäologischen Befunden nicht sicher zu schliessen. Nach der Aktenlage scheint
Périès die wichtigere Kommanderie gewesen zu sein, denn es sind zahlreiche
Würdenträger des Ordens namentlich bekannt. Die Grösse der Anwesen vor Ort und
die geografische Lage spricht auch dafür, dass Périès die mächtigere Einrichtung
des Ordens war.
P.S. Nachtrag zu den Templern in der Provence.
Eine Teilnehmerin der diesjährigen Reise in das Languedoc sandte
mir das auf ihrer Rückreise nach Österreich entstandene Foto der
festungsähnlichen Templerkirche von Hyères. Dort hatten die Templer einen nicht
unbedeutenden Mittelmeerhafen für ihre mächtige Flotte. Vielen Dank für das
Bild!

église des Templiers, 83400 Hyeres (Dept. Var)
Foto: Elisabeth
Neufeldt-Schoeller,
Wien
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