Templer in der Région
Ile-de-France
Auch im diesem Jahr entschied die Familie, Urlaub am Atlantik zu
machen, weil es uns das letzte Jahr dort ausserordentlich gut gefallen hatte.
Natürlich konnte ich der Gelegenheit nicht widerstehen, die Reiseroute so zu
legen, dass man unterwegs noch ein paar Templer-Locations "mitnehmen" konnte.
Auf dem Hinweg pausierten wir im
Grenzgebiet der Champagne zur Ile-de-France, im sogenannten Brie. Dort befindet
sich die Templercommanderie 77120 Coulommiers, im Departement
77 Seine-et-Marne, Ile-de-France, 60 Km östlich vor Paris, etwa auf der Strecke Paris - Nancy. Die Stadt
ist weltberühmt für ihren gleichnamigen Brie-Käse.

Es handelt sich um eine der
komplettesten Commanderien in ganz Frankreich mit erstaunlich viel
übriggebliebener Bausubstanz aus der Templerzeit. Die Logis des
Commandeurs ist etwa zur Hälfte noch Original, leider einsturzgefährdet. Bis in
die sechziger Jahre wurde dort eine Farm betrieben.
Status 1900:

Die Commanderie liegt auf einem
Hügel, ca 40 Meter über der Stadt. Die Stadt kaufte das Gelände 1968 und wollte
den Krempel abreissen. Rundherum finden sich abstossende Plattenbauten aus den
sechzigern und eine Nervenklinik, die hätte vergrößert werden sollen. Das
scheiterte an mutigen Bürgern unter der Führung eines gewissen Jean Schelstraete,
die eine Gesellschaft gründeten und versprachen, 99 Jahre lang das Denkmal
ehrenamtlich zu erhalten. Das funktionierte bis 1990, jetzt hat man eine
professionelle Einrichtung drangesetzt und nimmt kostendeckenden Eintritt.

chapelle Ste. Anne, Coulommiers
Drei Fenster. Rechteckiger Grundriss. chevet plat, so nennt man den
Chorabschluß, der für Templerkapellen sehr weit verbreitet ist.
Die Commanderie von Coulommieres
bietet auch seltene Einblicke in unterirdische Bauten der Templer:

Die Katakomben der Templer, die für
ihre sprichwörtliche und weitentwickelte Tiefbautechnik den Namen Maulwurfsorden
verdient hätten.
Und jetzt kommt noch eine kleine
Sensation.

Le Colombier, der Taubenturm von
innen
Von Nachrichtenwesen war indessen auf den Hinweistafeln nichts zu lesen. Man
schrieb dort, die Tauben seien zur Ernährung oder zu agronomischen Zwecken
benutzt worden. Ich bezweifele das und gehe davon aus, dass man sich (auch)
Brieftauben zur Nachrichtenübermittlung hielt.
Könnte es sein, dass der Name der
Stadt Coulommiers von dem Wort für Taube abgeleitet ist? Wenn ja, deutet das an,
dass die Taubenwirtschaft sogar der Hauptzweck dieser Commanderie gewesen sein
könnte. Einige Templereinrichtungen haben ähnliche Worte als Namensbestandteil,
Ste. Colombe-de-la-Commanderie zum Beispiel. Ist nur so eine Idee. Gefunden habe
ich dazu noch nichts.

Blick von Südwesten auf die Kapelle Ste. Anne
Neben der Commanderie befindet sich
ein mittelalterlicher Kräutergarten, ein angenehmes Ambiente. Star der
Ausstellung: Die Rose von Damaskus.

Damit verlassen wir die Région Ile-de-France und setzen unsere
Fahrt an den Antlantik fort.
Templer in der Charente, Teil 2
Dieses Jahr war dort aber eher Ruhe
angesagt. Schließlich war es der Familienurlaub. Jedoch habe ich es nicht lassen
können, einige Templerorte, die ich im letzten Jahr noch nicht kannte oder aus
Zeitmangel nicht erreichen konnte, aufzuspüren. Etwa auf der Fahrt von unserer
Bleibe bei Saintes (Dept. 17 Charente-Maritime) nach Bordeaux.
Kurz hinter der Grenze zum Dept. 33 Gironde befindet sich die Templerkomturei
Magrigne. Im Ort selbst gab es einen Ortsteil "Le Temple", dort
war aber nichts mehr zu sehen. Etwas später fanden wir die Kapelle und hatten
grosses Glück: Sie war offen! Davor hatte sich eine Familie zum Picknick
niedergelassen. Ein Herr stellte sich als der Präsident eines archäologischen
Vereines der Gegend vor und ließ es sich nicht nehmen, uns eine perfekte Führung
angedeihen zu lassen. Noch nie habe ich vor Ort so viel brauchbare
Detailinformationen erhalten.

chapelle Ste. Quitterie, 33240 Magrigne, Dept. 33 Gironde,
Aquitaine
Drei Fenster im Chor. Wie üblich
bei den Templern. Zwar haben natürlich auch viele anderen Kapellen drei Fenster.
Bei den Templern aber fast immer. Im Inneren ein weiteres Zahlenspiel. An den
Wänden finden sich dort original erhaltene Kreuze aus der Templerzeit. Und zwar
12 Stück, nach der Anzahl der Apostel, sagte der Archäologe.

Unter der Kirche befinde sich ein
Bächlein (Ruisseau), meinte unser Führer. In der Tat sind die Wände sehr feucht.
Einige hundert Gräber habe man unter der Kirche gefunden. Draussen vor der
Kapelle liegen Steinsärge und Sargdeckel herum.
Hier einer der "Fleischfresser" =
Sarkophagen aus dem 12. Jh.:

Die Gräber haben eine Besonderheit.
Über der Aussparung jeweils rechten Schulter des Verstorbenen hat man jeweils
ein Rundes Loch gebohrt. Um dort eine Trinkflasche für den Weg ins Jenseits zu
positionieren, - sagte unser kompetenter Führer - und das auch noch im 12.
Jahrhundert!!! Ein tausend Jahre vergangener Heidenbrauch lebte hier fort!
Schon oft habe ich mich auf
Templerreisen, besonders im Westen Frankreichs, gefragt, was in der Mitte der
Kapellenhöhe diese herauskragenden Steine sollen, von denen ich Dutzende von
Beispielen anführen könnte. Man sieht sie auch auf meinen Bildern vom letzten
Jahr. " Unser Chefarchäologe" eröffnete mir eine plausible Erklärung.

Nach den Forschungen seiner
Gesellschaft seien diese Kragsteine Relikte eines umlaufenden
Wachganges (Remparts) aus Holz. Ein Balken lag in den Kuhlen der Steine. Auf
diesem nagelte man Bretter, die waagerecht von der Kirche aus abstanden. Diese
waren wiederum unterfüttert mit einem Aussenbalken, der mit einem 45° Grad
Stützholz zur Fassade abgestützt war. Auf diesem Gang wurden entweder Wachen
postiert. Oder man erweckte damit den Schein einer besonderen Überwachung für
die Pilger, damit sie Vertrauen fassten (und für ihre Übernachtung bei den
Templern mehr zahlten, das letztere ist jetzt nur böse Interpretation von mir.)
Fakt ist: Diese Kapelle steht auf dem schon damals vorhandenen Landweg von Blaye
nach Bordeaux, nur wenige Meter westlich von ihr ist die Strasse, östlich von
ihr ein schiffbarer Fluß, der Moron, eine strategisch wichtige Station
auf dem Weg nach Bordeaux. Diese Kapelle ist alo eine vertrauensbildende
Maßnahme, würde man heute sagen.
Ich war letztes Jahr den Beweis
noch schuldig geblieben, ob die "Templerstrasse" von Limoges tatsächlich bis La
Rochelle weitergeht, oder aber in Saintes endet:
Sie geht weiter. Von Saintes nordwestlich Richtung La Rochelle ist der nächste
Templerort Le Mung, urkundlich erwähnt. Man kennt die Geständnisse zweier
Tempelritter aus Le Mung. In dem Ort gibt es eine Kapelle aus dem 12
Jahrhundert. Diese ist nach Anne-Marie Legras, ( Les Commanderies des
Templiers et des Hospitaliers de Saint-Jean de Jérusalem en Saintonge et en
Aunis, Editions du CNRS, Paris 1983) nicht im Besitz der Templer gewesen, aber
auf ihrem Friedhof befinden sich Sargdeckel von Templergräbern:

Kurioserweise wurden diese Gräber
im neunzehnten Jahrhundert neu belegt und mit modernen Inschriften versehen. Die
Templerkapelle liegt ausserhalb und ist stark verfallen. Ich habe sie bis dahin
leider noch nicht gefunden.
Das gelang mir erst im April 2011
Die Strasse von Saintes führt dann über Thairé und
Châtelaillon nach La Rochelle.
Von Saintes führen in südwestlicher
Richtung zwei weitere Templer-Strassen an die Küste, genauer gesagt, an das
rechte Ufer der Gironde. Es handelt sich dabei gewiss um die Fortsetzung des
Pilgerweges von Poitiers über Bordeaux zur spanischen Grenze. Die nördliche
dieser beiden Strecken passiert die Templerorte Villeneuve und le Breuil nach
Royan, einer recht grossen Hafenstadt an der engsten Stelle der Gironde. Hier
wird es im Mittelalter eine Fährverbindung hinüber zum Médoc gegeben ghaben. Die
südlichere Strecke führt durch die Gemeinde Rétaud (vermutlich ebenfalls ein
Templerort, keine gesicherten Spuren) und die Gemeinde Meursac nach Beloir, dem
letzten Templerort vor der Gironde.
Die wichtigste commanderie der
Templer in diesem Abschnitt befand sich in dem Ort les Epaux auf dem Gebiet der
Gemeinde Meursac. Von hier aus wurden alle übrigen Einrichtungen der Gegend
kontrolliert.

commanderie
templiére, 17120 Les Epeaux
Im Hintergrund sieht man die
erstaunlich gut erhaltenen Reste des logis des Kommandeurs. Das ist
eine Rarität. Im Vordergrund das Brunnengebäude. An dem Gebäude werden seit
Jahren Arbeiten vorgenommen, vermutlich durch den privaten
Grundstückseigentümer.

Foto: Reinhold Denich
Die zu vermutende nördlichere
Strecke war schwieriger zu verifizieren. Es sollen sich dort 3 weitere
Templerhäuser, zumeist commanderies befunden haben: Villeneuve, Retaud,
und eine commanderie auf dem Gebiet der Stadt Saujon. Ein Villeneuve fand sich
als Teil des Ortes 17600 Saint-Romain de Benet, ein Pilgerort mit wunderschöner
romanischer Kirche. In Villeneuve gabs aber nichts zu sehen. Hätten wir nicht
eine superhoch aufgelöste Wanderkarte von der Gegend, wären wir unverrichteter
Dinge wieder abgefahren. Was in keinem Buch stand: Die Templerei befand sich
weit ausserhalb der Orte. Ca. 1 km östlich von Villeneuve entdeckten wir einen
chemin de la Chapelle. Das klang doch ganz gut. Wir trafen dort auf einen
grossen Herrensitz aus der Zeit nach der Revolution. Ich verzichtete darauf, das
Herrenhaus zu fotografieren, denn es ist bewohnt.

commanderie
17600 Villeneuve
Der Grundstückseigentümer empfing uns ausserordentlich
freundlich. Anhand der beiden Bücher, die wir in den Händen hielten, erkannte er
in uns besonders interessiertes Publikum und er schien froh über die Gelegenheit
zu sein, uns die Geheimnisse seines Anwesens zu erläutern und bat uns hinein.
Aus der Zeit der Templer gab es indes nicht mehr viel zu sehen, nur eine Mauer,
die das Herrenhaus von einer früheren Scheune trennte, stammt aus dem
Mittelalter.

Der Eigentümer vermutet, dass die Kapelle der commanderie, die
der Strasse ihren Namen gab, sich an der Stelle des jetzt als Garage genutzten
Gebäudes befunden haben wird:

Die nächste Station soll in Saujon
sein. Von den Rittern fanden wir in dem Städtchen selbst bisher keine Spur. Nach
unseren Quellen suchten wir den Gemeindeteil Le-Breuil-du-Pas. Das alte
Brolio in Passu wurde mitten in Marschland und Unterholz errichtet, typisch
für die Templer, denen man häufig Gelände gab, was erst trocken gelegt werden
mußte. Es fand sich dort eine Ansammlung einiger älterer Häuser, aber nichts
besonderes. Ein kleines Hinweisschild zeigte den Weg nach einem Gehöft des
Namens "l'Hopitau". Ein Zufallsfund, sonst wären wir unverrichteter Dinge
abgefahren. Dort fand sich ein landwirtschaftliches Herrschaftsanwesen, der
Grösse nach kann es gut eine Commanderie gewesen sein. Die Gebäude sind neu,
aber im Bildhintergrund links kann man wohl die grange, die Scheune der
Templer erkennen.

commanderie l'Hopitau, 17600 Le Breuil-du-Pas
Der Rest des Urlaubs wurde der Familie und der Erholung
gewidmet, aber auf der Rückreise machten wir wieder einen Pausenstopp kurz vor
den Toren von Paris.
Templer in der Région Centre
Zwei Wochen später
machten wir uns - gut erholt - auf den Rückweg. Wieder war eine Destination kurz
vor Paris das Etappenziel. Die Gegend heißt diesmal aber nicht Brie, sondern
ganz anders, nämlich Braye. Wir befinden uns südwestlich von Paris in dem
Dreieck Le Mans, Chateaudun und Vendôme. Das ist im Departement 41 Loir-et-Cher
und in der Région Centre. Die Commanderie 41170 Arville kenne
ich aus Büchern und Zeitschriften schon seit Beginn meiner Templerstudien in
2005.
Von Régine Pernoud stammt die heimtückisch geschickt formulierte Lobhudelei:
"Gegründet durch die Templer zu Beginn des 12 Jh., verblieb die Commanderie von
Arville, durch die Bedeutung der existierenden Gebäude, ein einzigartiges
Ensemble und die am besten erhaltene Commanderie von Frankreich" (Le Point, No.
1717, 11.08.2005).
Im gleichen Magazin wird die berühmte Mediävistin gleich für ihr fast bösartiges
Wortspiel gescholten. Natürlich ist die Commanderie von den Templern gegründet
worden. Aber die Gebäude, die jährlich von 15.000 Besuchern angestaunt werden,
stammen zumeist aus dem 15. oder 16. Jahrhundert, sind allerdings, wen wunderts,
tatsächlich recht gut erhalten. Und sehr komplett.
Vorher gab es aber
noch etwas anderes zu entdecken. Das Navi hatte mich bei Vendôme auf die
Landstrassen gezogen. Ich wußte zwar, dass es auch in Mondoubleau noch Templer
gegeben haben soll, wollte aber meine Mitreisenden nicht überstrapazieren.
Allerdings brachte ein anderes Ortsschild meine Bremsen fast automatisch zum
Quietschen. Sieben Kilometer vor Mondoubleau hieß ein Ort "Le Temple". Gleich
links von der Landstrasse ein mir von Fotos recht gut bekanntes Gebäude:

41170 Le Temple - Mondoubleau

Das hier ist die Ansicht von
Südwesten. Einige Gebäude in dem unmittelbar angrenzenden landwirtschaftlichen
Gehöft "propriété privée" könnten noch aus der Templerzeit stammen, aber nur
wenig. Man ahnt aber die herausragende Bedeutung dieser Einrichtung, der
zahlreiche Weiler aus der Umgebung zinspflichtig waren. Nach der örtlichen
Homepage werden die Äcker der Gegend durch einen künstlichen See versorgt, den
die Templer gegraben haben.
Seen, Tümpel, Kanäle und Souterrains graben, Sümpfe entwässern. Das können sie,
die Tümpler des armen Ordens der Maulwürfe.
18 Kilometer - eine Tagesetappe für
Lastfuhrwerke oder zu Fuß - in NNO-Richtung, auf Paris, kommt sie nun, die
ersehnte "besterhaltene Templerkomturei von Frankreich":

Commanderie 41170 Arville,
Departement 41 Loir-et-Cher, Centre
Die beiden ältesten Gebäude aus der
Templerzeit:

Die Kirche und der Turm. Das
Gebäude links, die ehemaliger Presbyterie (Pfarrhaus) stammt aus der Zeit nach
der Revolution. Dort sitzt heute die Mairie (bürgermeisteramt) von Arville,
einer der drei Eigentümer des Komtureigeländes.
Ein Templerkreuz in der Apsis der
Kirche:

Das Hauptportal der Commanderie.
Die Kirche hat ihren Eingang ausserhalb. Sie durfte auch von den
Pfarreimitgliedern besucht werden:

Die Templerkirche in der Totale vom
Commanderie-Gelände aus:

Auch diese Commanderie hat ein
perfektes Taubenhaus, sogar noch viel größer als das in Coulommiers:


Die Innenseite des Taubenturms.
Hier war Platz für 2.000 Tiere.
Man weiß, dass Brieftauben am Tag
bis 1.000 Kilometer weit kommen und dass jede Taube nur eine einzige Destination
anfliegen kann, nämlich ihren Geburtsort. Sie sitzt geduldig in ihrer
Poststation - wo immer die auch sei - und wartet, bis man sie irgendwann einmal
loslässt. Dann spult sie ihr Programm ab und fliegt heim.
Es wäre wirklich verlockend, anzunehmen, dass hier in diesem Taubenschlag die
Zentrale des gesamten Templerordens für Eilnachrichten untergebracht gewesen
wäre. Für jede Commanderie eine Taube. Auf einen Schlag losgelassen könnte der
gesamte Orden - in Frankreich und seinen Grenzgebieten - innerhalb eines Tages
über irgend eine wichtige Änderung unterrichtet worden sein.
Aber: keine Beweise. Weder hier, noch anderswo. Kein Hinweis der
Museumsverwaltung. Auch nicht in der Literatur.
Ausserdem ist der Turm hier wohl nicht aus der Templerzeit. Aber: Viele
Templer-Commanderien haben Taubentürme, und dass man die speziellen
Eigenschaften von Tauben im Mittelalter kannte, ist sicher. Es gibt Geschichten,
dass die Kriegsparteien im Orient regelrecht Nachrichten abgefangen und
ausgetauscht haben, um Schlachten zu gewinnen.
Mit diesem Abstecher kurz vor den
Toren von Paris endete unsere schöne und sehr erholsame Urlaubsreise. Etwas
Kultur darf auf Reisen schon sein, aber nicht zuviel, bitte! Zeit für gutes
Essen und Trinken, sowie "Abhängen" am Strand oder am Pool muß auch sein, sonst
können einem die Templer auch mal ganz schön auf den Zeiger gehen.




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