Im Oktober starteten wir zu einer einwöchigen Urlaubsreise ins Piemont. Wir hatten uns für eine feine Ferienwohnung in dem kleinen Ort Roppolo entschieden, der sich in der Nähe des Lago di Viverone befindet. Geplant war unter anderem auch ein Besuch des spektakulären Klosters Sacra di San Michele, das im Susa-Tal hoch über der Stadt Turin thront. Man hat von da oben einen beeindruckenden Blick über die Tiefebene. Gut essen und ausruhen war ansonsten angesagt und nur zwei Templer-Orte standen zunächst auf dem Programm. Um es kurz zu machen: Es wurde dann doch noch ein bisschen mehr daraus.
In Roppolo selbst gab es nur ein Bäcker, der auch andere Lebensmittel verkaufte, eine Apotheke und eine Gaststätte. Wir bemerkten aber viele Wanderer, die an unserer Wohnung tagtäglich – einzeln oder in Gruppen – vorbeiliefen und fanden auch schnell den Grund dafür hinaus. Unser Haus lag direkt an der berühmten „via francigena“, der alten Pilger-Straße, die im Jahre 990 der Erzbischof von Canterbury für eine Pilgerreise nach Rom benutzte und beschrieb. Zahlreiche Hinweisschilder für die Wanderer belegen das. Am Wegesrand gab es auch immer wieder Häuser oder Herbergen, die mit entsprechenden Hinweistafeln Wanderer zur Übernachtung einluden.
Wegtafel für Wanderer
Dieser Zufall, dass unser Feriendomizil direkt an dieser berühmten Straße liegt, berührte mich sehr, weil ich seit 5 Jahren (vergleichen Sie bitte hierzu meinen Bericht aus 2016: http://menzendorff.de/?p=881 ) mit der Erforschung der Präsenz der Templer entlang dieses Weges intensiv beschäftigt bin. Um es vorweg zu nehmen: Ich bin durch diese Reise entscheidend weitergekommen!
An zahlreichen Hausfassaden am Pilgerweg befand sich ein Fensterchen, von dem eine Marienfigur mit dunkler Hautfarbe die Wanderer zu segnen schien:
Für unsere erste Templer-Station mussten wir knapp 70 Kilometer nach Südwesten fahren. Der Ort Moncalieri liegt südlich und etwas außerhalb des Stadtgebietes von Turin an Autobahn E 717, die über Savona nach Genua weiterführt. Dort erwartete uns das den Templern zugeschriebene Castello della Rotta.
Nach B.Capone et al., Guida all’Italia dei Templari, S. 43, bewachten die Templer hier den Verkehr auf der alten Römerstraße von Turin nach Pollenzo und Genua.
Man erkennt umfangreiche Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen im Mauerwerk. Es wird vermutet, dass die Templer von hier aus eine uralte Brücke über den Strom Banna bewacht haben. (http://www.arsliberalisarca.altervista.org/ bitte nach unten scrollen). Auch von geheimen Gängen ist dort die Rede.
Wir beschlossen kurzerhand, auf dem Rückweg durch Turin zu fahren und hofften, ein paar Eindrücke von der Stadt empfangen zu können. Der Stadtverkehr erwies sich jedoch als sehr dicht und wir bereuten unsere Entscheidung deshalb rasch. Wir wurden jedoch durch ein wunderbares Abendessen im Restaurant gleich neben unserer Bleibe rasch wieder wohlgestimmt.
Als nächstes stand die Templerkommende von Murello, Prov. di Cuneo, auf dem Programm. Sie befindet sich 30 Kilometer (eine übliche Tagesetappe zu Fuß) südwestlich von Moncalieri und liegt an der Straße, die nach Cuneo und schließlich nach Nizza führt. Es hat den Anschein, dass die angebliche Templerbrücke bei Moncalieri die Aufgabe hatte, südlich von Turin die Fernstraßen nach Genua und nach Nizza zu verzweigen.
Die Komturei war ersichtlich recht groß. Ihr Gelände beansprucht noch heute einen großen Teil des Ortes Murello.
Das Gebäude rechts ist aus einem früheren Verteidigungsturm, der überdacht wurde, entstanden.
Die Anlage ist weitgehend aus Ziegeln errichtet. Die Gegend ist ebenes Sumpfgebiet, soweit das Auge reicht. Wenn kein natürliches Baumaterial ansteht, greift man auch hier auf Tonziegeln zurück.
Nachdem wir uns in der Kirche sattgesehen hatten, beschlossen wir, das Areal der Kommende zu umrunden. Wir wandten uns dazu erst nach Süden und dann nach Osten auf die Via Calandra Claudio, von der aus dieses Foto gelang:
Auch dieses Grundstück hat man offenbar deshalb den Templern überlassen, weil es sumpfig oder moorig war. Die Templer hatten sowohl das Know-how, als auch die Manpower, um ehemaliges Sumpfgelände zu entwässern und damit maximal ertragreich zu machen.
Deutlicher kann man es nicht markieren: Hier hatten bis zuletzt die Ordensritter das Heft in der Hand. Mit Blick auf dieses Gebäude machten wir uns auf den Heimweg und freuten uns auf das Abendessen.
Am übernächsten Tag entschieden wir uns spontan, zwei weitere Niederlassungen der Templer zu besuchen, zu denen ich Sie schon mal im Jahre 2016 (http://menzendorff.de/?p=881) mitgenommen habe.
Die erste Station war nur 20 Km südlich von unserer Bleibe entfernt. Beim letzten Versuch kam ich nicht herein. Das Kirchlein steht auf dem umzäunten Gelände eines landwirtschaftlichen Betriebes. Wir erreichten unser Etappenziel in wenigen Minuten und standen wieder vor verschlossenen Toren. Meine Frau ist aber viel beharrlicher in solchen Sachen und begann, das umzäunte Grundstück zu umrunden. Ich blieb am Haupteingang und hatte gerade festgestellt, dass wir außerhalb der Besuchszeiten hier eingetroffen waren, als sich ein Fahrzeug auf der langen Auffahrt näherte. Eine junge Frau fragte mich, was ich wünschen würde. Ich habe mich entschuldigt, dass ich die Besuchszeiten nicht gekannt hatte. Sie winkte ab und verschwand im Haus. Kurze Zeit später kam aus dem Haus eine etwas ältere Dame heraus und öffnete uns bereitwillig und gerne das Tor. Da war sie nun, die Kapelle Santa Maria di Isana.
Sie war auch – ohne Nachfrage – gerne bereit, uns die Tür zum Kirchlein aufzuschließen. Ich konnte unser Glück nicht fassen.
Westfassade, größtenteils aus Ziegeln errichtet. Die Gegend ist ebenfalls sehr sumpfig.
Detail an der Westfassade: Mit (ehemals) farbigen Steinen abgebildetes Templerkreuz über romanischem Doppelfenster.
Unser nächstes Etappenziel Santa Maria del Tempio liegt ca. 40 Km südöstlich von hier.
Die Kirchenfassade stammt nicht aus der Templerzeit, …
… ebensowenig wie die Innenausstattung
Seitenaltar zu Ehren der Schutzpatronin
Das Nebengebäude im Norden der Kirche verrät Aktivitäten, die sich vor Ort nicht näher erschließen ließen. Evtl. befindet sich eine Ausstellung in dem Raum.
Dieses Bild zeigt recht deutlich, dass auch dieses Gelände sumpfig war.
Mit diesem Blick verabschiedeten uns aus der Provinz Vercelli und freuten uns auf unsere Bleibe.
Die Nachschau am Computer ergab, dass Strecke zwischen den beiden zuletzt besuchten Templer-Orten ca. 20 Km parallel und südlich von der „offiziellen“ via francigena im Abschnitt Vercelli bis Pavia verläuft. Ich erinnere daran, dass man sich diese alten Pilgerstrecken nicht als einen einzigen Weg, sondern vielmehr als Wegesystem vorzustellen hat. Von Pavia aus führt die Strecke weiter nach Südosten in die Richtung von Piacenza und Parma. Mir war klar, dass der Pilgerweg nicht an die Küste von Genua geleitet werden konnte, denn in Ligurien ist die Küste bekanntlich sehr steil und erlaubte im Mittelalter jedenfalls nicht die Anlage von Fernwegen. Von Parma aus ist der Weg über das Gebirge zur Küste nicht mehr so problematisch. Das Gelände steigt viel sanfter an.
Von einer guten Freundin erhielt ich ein Foto der Römerbrücke von Pontremoli,
das mir bei der Lösung half. Denn diese Brücke war Bestandteil der via francigena ( https://www.discovertuscany.com/lunigiana/pontremoli.html ), womit mir der weitere Verlauf der via francigena in Norditalien und der Anschluss an die Templer-Stationen der via francigena in der Toskana schlagartig klar wurden.
Wie im Beitrag von 2010 (http://menzendorff.de/?p=53) bereits nachgewiesen, nähert sich die via francigena von Langres durch die Franche-Comté über Besançon und Pontarlier dem Genfer See. Von dort aus geht es über den Großen St. Bernhard nach Aosta. Während die Templer in der Tiefebene vom Burgund und der Franche-Comté regelmäßig und dicht an der Bewachung der via francigena beteiligt waren, haben sie im Alpengebiet offenbar keinerlei Anrechte erwerben können. In der Schweiz gibt es nur sehr wenige Templer-Niederlassungen, und von den lukrativen Bergstrecken waren sie ganz ausgeschlossen. Der Trend setzt sich in Italien fort. Im Aosta-Tal hatten die Templer ebenfalls nichts. Die Stadt Ivrea, eine wichtige Station der via francigena, befand sich in der Hand der Bischöfe und der kommunalen Machthaber.
Die nächsten Komtureien an der via francigena sind Santa Maria di Isana und Santa Maria del Tempio, die die Templer nur erwerben konnten, weil sich für das Sumpfgelände sonst niemand interessiert hat. Erst ab Lucca ändert sich die Situation dramatisch zugunsten der Templer. Ab hier waren sie in allen wichtigen Metropolen der Toskana in der „ersten Reihe“ an dem Schutz der Pilgerhauptstrecke beteiligt.
Das Highlight unserer Reise behielten wir uns bis zum Ende der Ferien vor. Den Besuch des wirklich in jeder Hinsicht spektakulären Klosters Sacra die San Michele in der Provinz Turin. Es liegt etwa 1000 Meter hoch über dem Val di Susa auf dem Gipfel des Berges Pirchiriano.
Dieses gewaltige Bauwerk wurde in dieser Form zwischen den Jahren 1000 und 1150 errichtet. Der Bau erforderte Kühnheit, Sachverstand und Vermögen, das zum großen Teil von einem französischen Adeligen aus der Auvergne, Hugo von Montboissier in Erfüllung einer päpstlich auferlegten Busse beigesteuert wurde.
Damit endet unser Reisebericht aus dem Piemont. Ich hoffe, es hat Ihnen gefallen.
Nachtrag:
Seit Jahrzehnten hält sich die Legende, dass die Auswahl der Position dieses Heiligtums nicht zufällig erfolgte. Angeblich befinde es sich exakt auf einer Luftlinie, die die frühchristliche Klosterinsel Skellig Michael mit Jerusalem verbindet. Auf dieser Luftlinie lägen darüber hinaus noch die beiden Klosterinseln St. Michael’s Mount und der Mont-Saint-Michel, so wie weitere prominente Heiligtümer in Apulien und auf der griechischen Insel Symi.
Ich habe das nachgeprüft. Es scheint wohl zu stimmen. Das kann jeder Betrachter selbst beurteilen, aber nach Zufall sieht es für mich eher nicht aus:
Ich habe mich gerade entschlossen, dass ich darüber einen eigenen Artikel schreiben werde.