Italien – Teil 1, Piemont, Ligurien, Toscana
Im März 2016 ergab sich eine Gelegenheit für einen Kurztrip nach Italien, um Freunde zu besuchen, die ich seit mehr als dreissig Jahren nicht mehr gesehen hatte. Ich bin nicht nur mit köstlichen Speisen und einem wundervollen Abend empfangen worden. Man hatte mir sogar bereits vier Bücher über die Templerniederlassungen besorgt und im Vorfeld noch ein paar Seiten daraus per Mail geschickt, sodaß ich die ersten Stationen für die Hinfahrt nach Ligurien schon mal auswählen konnte. Das ist meine erste Sondierungsfahrt zu Templerorten in Italien, sodaß die Auswahl mehr zufällig geriet und keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit hat.
Man kann sich für die erste Recherchereise in ein Gebiet nicht allzuviel vornehmen. Es ist vielmehr jedesmal erforderlich, erst vor Ort ein Gefühl für die Entfernungen zu gewinnen, bevor man die Machbarkeit von Etappen beurteilen kann. Und so ist auch diese Reise wieder nach dem „trial and error“ Prinzip trotz einiger bedauerlicher Auslassungen unterm Strich ein sehr spontanes und doch schönes Erlebnis geworden und die Bilder zeige ich Ihnen gleich hier. Meine Wahl für das erste Ziel fiel auf einen Templerort in der Regione Piemont, genauer in der Provincia di Alessandria, etwa hundert Km südwestlich von Milano.
Regione Piemont
1. Casale Monferrato, Prov. Alessandria
Als Standardreferenzwerk für die Etappen zog ich das Buch der Autoren Bianca Capone, Loredana Imperio und Enzo Valentini, Guida all’Italia dei Templari von 1989, 2. Aufl. 1997, 2. Nachdruck 2002, heran. Da man gewöhnlich Literatur von mehreren Autoren nach dem Namen des ersten Autors und dem Zusatz et al. zitiert, kommt hier – kurioserweise – aber nunmal unweigerlich „Capone et al.“ heraus :), und so bleibt mir nichts anderes übrig, als das Buch im folgenden genau so zu zitieren. Nach diesem Werk befindet sich die Commenda di Santa Maria del Tempio an einer alten Verbindungsstrasse ausserhalb der Gemeinde Casale Montferrato mit strategischem Bezug zu Fernstrassen nach Vercelli und Torino in einer wasserreichen Umgebung nahe des Flusses Po (Capone et al., S. 58).
(copyright: Google maps)
Ich hatte mich in einem kleinen Ort südwestlich von Casale, Ozzano Monferrato, eingemietet. Die Unterkunft befand sich in einem hübschen, sehr gepflegtem und altehrwürdigen Anwesen mit wirklich geräumigen Zimmern: La Corte delle 4 Stagioni
Italien empfing mich mit strahlend blauem Himmel. Nach einer reibungslosen Fahrt traf ich abends in Ozzano ein und ruhte mich – nach einer opulenten Pizza in einem gemütlichen Familienrestaurant – in meinem fürstlich anmutenden Quartier für einen vermutlich anstrengenden nächsten Tag aus. Dank Wifi konnte ich mir die nächsten Reiseziele aussuchen und die Route abstecken. Gestärkt durch ein leckeres Frühstück (die sehr freundliche Inhaberin hat ein besonderes Geschick darin, es ihren Gästen unaufdringlich an nichts fehlen zu lassen) machte ich mich am nächsten Morgen gleich auf die Suche nach meinem ersten Templerort: Santa Maria del Tempio
15033 Santa Maria del Tempio, Casale Monferrato (Prov. Alessandria),
Der erste Eindruck war atemberaubend. Die Anlage zeigte sich bei schönstem Wetter strahlend und gepflegt, was über den Umstand hinwegtröstete, dass aus dem Mittelalter nicht mehr allzuviel an oberirdischer Bausubstanz übrig geblieben war. Der Zustand der Kirche sah schon von weitem sehr nach 17. Jahrhundert aus und dürfte das Werk aus der Johanniter-Zeit sein.
Beginnen wir mit der Kirche, die noch heute als Pfarrkirche Santa Maria Degli Angeli in Benutzung ist:
Santa Maria Degli Angeli
barocke Innenausstattung
Beweisfoto: Wir liegen hier richtig 🙂
Auf der Südseite des Kirchenschiffes schließt sich ein geräumiger Innenhof an, der mannshoch ummauert war. An das Kirchenschiff schmiegen sich offenbar ältere Gebäude an, die wie die Reste eines Kreuzganges anmuten. Die meisten Gebäude sind offenkundig Zweckbauten aus dem 18. Jahrhundert. Die heutige Nutzung hat sich mir nicht erschlossen. Nach Capone et al. haben sich bis heute noch unter den umstehenden Gebäuden geräumige unterirdische Anlagen erhalten (aaO).
Aus einer Urkunde vom 10. Januar 1308 weiß man, dass die letzten drei Templer von Casale, Giovanni Bazano, Pietro Garilio und Manfredo de Vitreo auf Befehl des Inquisitors Ottone von Milano verhaftet und dem Vogt von Casale überantwortet wurden. (Capone et al., S. 59). Der Legende nach sollen die Templer ein Bildnis der Maria aus dem Orient mitgebracht haben, welches von den Gläubigen als wundertätig angesehen und verehrt wurde. (ebenda).
2. Livorno Ferraris, Provincia Vercelli
Am Vorabend hatte ich mich entschieden, unter den noch sehr zahlreichen weiteren Templerorten in Piemonte den zu besuchen, der am nächsten zu erreichen ist und bei dem noch am meisten erhaltene Bausubstanz aus der Templerzeit anzunehmen war. Die Wahl fiel auf Livorno Ferraris in der Provinz Vercelli. In etwa 40 Km erwartete mich nach meiner Recherche eine Templerkapelle im weitgehenden Originalzustand die, trotz einiger rüder Restaurierungen ihr Alter durch in Fischgräten-Anordnung gemauerten Ziegeln verraten soll (…mostra la sua vetustà nelle tracce di mattoni a spina di pesce… , Capone et al. S. 52). Ohne genauer zu wissen, in welche Himmelsrichtung mich die Fahrt zur zweiten Tagesetappe führen würde, gab ich die Zieldaten ins Navi und machte mich bei weiter strahlend blauem Himmel und glasklarer Luft auf den Weg. Ich muss gestehen, dass ich vom Piemont noch nicht allzu viel wusste. Ich merkte jedoch rasch, dass die Fahrt in einer anscheinend unendlich weiten und hügellosen Tiefebene verlief und sich mir in weiter Ferne die puderzuckerbestäubten Ligurischen Alpen als grandiose und unveränderliche Kulisse darboten:
Einige Kilometer vor dem Erreichen des Ortes Livorno Ferraris tauchte am rechten Fahrbahnrand der SP 7 dieses Schild auf:
Hier zweigte ein ersichtlich als Damm aufgebauter Weg ab, auf dem im Hintergrund der angekündigte Bauernhof (cascina) schon zu erkennen war.
Mir war zuvor schon aufgefallen, dass man rechts und links von der Strasse häufig wasserwirtschaftliche Bauwerke aller Art ausmachen konnte und dass die Umgebung von allerlei Gräben und Kanälen durchzogen war. Nicht ohne Grund gilt die Tiefebene des Po als besonders fruchtbar. Es ist auch durchaus nichts neues, dass man in einer solchen Umgebung auf Templereinrichtungen trifft. Die Templer hatten – wie das legendäre Marais in Paris augenfällig beweist – sowohl das Geschick, als auch die personellen und finanziellen Mittel, sumpfiges Land zum nachhaltigen Wohle des Ordens urbar zu machen. Die Landesherren konnten sich mit der „Spende“ von Sumpfland an den Orden großzügig erweisen und sich von vermeintlich nutzlosen Gütern trennen. Und der Orden machte anschliessend was draus.
Als ich näher kam, merkte ich, dass ich mir die Besuchszeiten und -modalitäten besser hätte ausdrucken sollen. Ich hatte etwas davon gelesen, dass man Besuche zu bestimmten Jahreszeiten vorher anmelden müsse und dergleichen mehr. Jedenfalls war zu und klingeln und sich bemerkbar machen half nicht. Aber mir gelangen einige wunderschöne Aufnahmen von aussen. Zudem wußte ich bereits, dass das innere der Kirche für meinen Geschmack „kaputtmodernisiert“ wurde, was sicher dem Umstand geschuldet ist, dass die Kirche immer noch intensiv für sakrale Zwecke genutzt wird.
Chiesetta Santa Maria di Isana, 13046 Livorno Ferraris, Vercelli
Urkundlich erwähnt ist das Templerhaus erstmals im Jahre 1208 als „mansio templi“. Im Jahre 1222 wird dieses Templerhaus bereits „Domus Sancte Marie de Ysana“ genannt (Capone et al., S. 53). In einem Register der Diözese Vercelli taucht der Besitz 1298 unter dem Namen „ecclesia Sancte Marie de Exana et subest Milicie Templi“ auf (aaO).
Mir gelang schließlich dennoch ein gutes Foto, indem ich das Objektiv der Kamera durch eine Öffnung im Tor des Gehöftes stecken konnte und die Kamera dort ruhig genug lag:
Die fischgrätartig gemauerten Ziegelsteinreihen und eine Sonnenuhr
Falls Sie einen Besuch dieser schöngelegenen Kapelle planen sollten, erfahren Sie nähere Einzelheiten zu den Öffnungszeiten oder zu einer etwaigen Kontaktaufnahme hier: Santa Maria di Isana Homepage
Die Homepage beherbegt schöne Fotos der Kapelle von aussen und innen und zu verschiedenen Jahreszeiten. Auch wird von Legenden berichtet, die sich um die Kapelle ranken. So soll es dort einen wundertätigen Menhir geben, der den Pilgern Erleichterungen bei rheumatischen Beschwerden verschaffen würde, wenn sie sich mit dem Rücken dagegenlehnen (Capone et al. S. 54). In der Nähe der Kapelle sei eine Quelle, deren Wasser unter der Kirche hindurchfliesse, was für tellurische Kräfte sprechen würde. Wer so etwas mag, findet auf der besagten Homepage noch mehr.
Bei der Bearbeitung dieses Beitrages kam mir in den Sinn, bei diesem und künftigen Beiträgen Kartenausschnitte einzufügen, die die besuchten Templerorte in einer größeren Umgebung eingebettet zeigen, damit sich der geneigte Leser besser orientieren kann.
Wie man sieht, hat die Strecke einen nordwestlichen Verlauf. Sie befindet sich zwischen Torino und Milano und weist auf den Ort Ivrea (oben links). Danach kommt Aosta. Spätestens bei dieser Feststellung „klingelte“ es bei mir, denn diese beiden Orte werden mit der sogenanten Via Francigena in Verbindung gebracht. Es handelt sich hierbei um eine frühmittelalterliche Fernpilgerroute von Canterbury nach Rom. Der aufmerksame Leser wird sich vielleicht daran erinnern, dass mir diese Pilgerstrecke schon einmal bei einer Templerreise begegnet ist und zwar bei dem Templerort Pierrecourt in der Franche-Comté.
Die Richtung, die meine Etappenstrecke von Casale nach Livorno Ferraris zu weisen scheint, stimmt mit der Lage der Freigrafschaft Burgund überein. Es steht ohnehin fest, dass das Aosta-Tal den südlichen Zugang zu dem schon seit alters her bevorzugten Alpenübergang bei dem Großen Sankt Bernhard markiert.
Man darf dabei nicht vergessen, immer wieder zu betonen, daß es die via francigena ebensowenig gibt, wie den Jakobsweg. Es handelt sich bei beiden Phänomenen um Wegesysteme mit häufig mehreren alternativen Teilstrecken und Zugangspunkten. Da ich auch in der Toscana in Orten mit einer Templerniederlassung auf Hinweisschilder zur via francigena bemerkt habe, begann ich mich zu fragen, ob ich hier vielleicht einen steinernen Beweis der Hypothese gestossen bin, dass die Templer tatsächlich ihre Standorte (auch) nach dem Gesichtspunkt des Pilgerschutzes ausgesucht haben. Ich folgte also der Verlockung, ausgewählte Templerorte die ich in den Jahren 2007 im Burgund und 2010 und der Freigrafschaft bereist habe, optisch in einen Bezug zu der hier auf der italienischen Seite der Alpen ausgemachten Templerniederlassungen zu bringen. Das Ergebnis hat mich jedenfalls sehr erstaunt:
(mithilfe von Google maps)
Ich erlebe gerade regelrechtes Forscherglück, denn für mich persönlich ist diese eher zufällige Entdeckung schon jetzt ein rechtes Highlight. Den Nachweis einer solchen Templerstrasse (dh. einem Fernreiseweg, der in regelmässigen Abständen von Niederlassungen der Templer „überwacht“ wird) über mehrere Landesgrenzen hinweg, habe ich bisher in noch keinem anderen Werk über die Templer gefunden, auch und gerade nicht in den Standardwerken der namhaftesten Autoren.
Das liegt sicher auch daran, dass die „großen“ Autoren das Phänomen der Templer eher als ganzes behandeln und sich in solchen Details nicht „verlieren“ wollen. Andere Autoren beschränken sich eher auf nationale, regionale oder gar nur lokale Betrachtungen. Landkarten in Büchern, die nur die äusseren Umrisse eines Gebiets zeigen, in denen dann auf weissem Grund das eine oder andere Templerkreuz zu sehen ist, vermitteln zumeist nicht den richtigen geografischen Ort und es fehlt häufig der Bezug zu Ortsnamen, die man eben auch nur auf entsprechenden hochauflösenden Karten erkennen kann. Solche Karten erlauben zwar die Erkenntnisse über mögliche Verbindung von Templerorten untereinander. Sie verstellen aber wiederum die Sicht aus der Distanz. Mit den features des Google Map Systems kann ich die Vorteile verschieder Kartengrößen miteinander kombinieren. Ein winziger Ort wie Santa Maria del Tempio wird genauso groß und deutlich angezeigt, wie die Supergrosstadt Milano.
Auch wenn jetzt noch Feinjustierungen an obiger Karte nötig sind, denn es gibt noch einen – ebenfalls mit regelmässigen Templerniederlassungen beflankten – Alternativ-Weg zwischen Besançon und Langres, so sind solche Augenblicke die Bestätigung für mein generell gewähltes Vorgehen, mich weder auf die Literatur noch auf die eigene Wahrnehmung auf Reisen vor Ort alleine zu verlassen. Man wird dem Phänomen der Templerniederlassungen in Europa niemals auf den Grund kommen, wenn man sich alleine mit der Auswertung der Literatur befasst. Andererseits sind Reisen zu irgendeinem Templerort relativ sinnlos, wenn man die Ergebnisse der Reise hinterher nicht mit den Erkenntnissen aus der Literatur zusammen führt, um so auf ein grösseres Ganzes schliessen zu können.
Es ist praktisch keine Literatur über die Niederlassungen der Templer in der Schweiz. Ich vermag daher derzeit keine Erklärungsansätze zu liefern, warum sich in der Schweiz scheinbar keine Niederlassungen des Ordens am „Frankenweg“ befunden haben.
Regione Liguria
3. Osiglia, Provincia Savona
Ich machte mich auf den Weg zu meiner dritten Tagesetappe, die ich so gewählt habe, dass ich rechtzeitig am Abend am Meer sein würde. Immerhin stand mir ein Abendessen mit alten Freunden bevor. Ich nahm also Kurs auf Genova. Die Autobahn umfährt Torino und dreht dann nach Süden ab. Schon bald bemerkte ich, dass ich die Tiefebene verliess und auf das Küstengebirge zuhielt.
Der nächste Templerort Osiglia in der Provinz Savona ist nach Capone et al. (S. 105) auch für das mittelalterliche Wegenetz von wichtiger Bedeutung gewesen. Er liegt an einem Gebirgpass, durch den die Verbindungsstrasse zwischen der damaligen Markgrafschaft Monferrato und dem ligurischen Meer verlief. Man verläßt die Autobahn an der Mautstelle Millesimo und nimmt die Strasse ins Hochtal von Bormida. Die Ortschaft Osiglia besteht nur aus einer Handvoll älterer, landwirtschaftlich geprägter Häuser. Der einzige Parkplatz befand sich vor dieser Kirche:
Die Fassade ist ersichtlich nicht aus dem Mittelalter, aber die Kirche stand schon zur Templerzeit:
Die chiesetta der Templer sei verfallen, ebenso wie ein Gehöft der Templer. Das ehemalige Templerhaus, das auf Militärkarten als „Casa Magione“ verzeichnet sei (Capone et a., S 105), soll auch nur noch als Ruine bestehen. Ich hatte meine Mühe, mich bei den Anwohnern über die Lage dieser Templerruine zu informieren. Ein älterer Herr, den ich letztlich erfolgreich befragen konnte, lachte laut auf, nachdem ich ihm mein Begehr verraten und er meine Hose und meine Schuhe kritisch gemustert hatte. Mit der Kleidung würde ich da wohl nicht lebend hinkommen, meinte er verschmitzt lächelnd. Der Weg sei steil, mit einer Eisenkette versperrt und überdies nicht vom Schnee geräumt. Zudem lohne der Weg sich nicht, weil alles verfallen sei. Also tröstete ich mich mit der Vorstellung, dass die Templer damals diese Kirche gewiss auch häufig betreten haben werden und machte mich nach Genua auf, wo sich das ehemalige Templerhaus an der Piazzetta Santa Fede befinden solle.
Es war schon nachmittag, als ich auf der anderen Seite des Küstengebirges ankam und da lag es – verheissungsvoll glitzernd bis zum Horizont – vor mir, das Meer! Es geschieht schon eher selten, dass eine Stunde Autofahrt ausreicht, um aus einer kälteknirschenden Schneelandschaft an sonnengeflutete Meeresstrände zu gelangen. Die Aussicht, mich jetzt im beginnenden Berufsverkehr durch die Gassen Genuas zu schleusen, um etwas zu suchen, von dem ich garnicht wusste, wie es aussah, begann mich zu irritieren. Viel lieber wäre ich gleich nach Massa gefahren und hätte mich erstmal dort am Meer in die Sonne gelegt. Ich fuhr zunächst an einigen Ausfahrten vorbei. Schließlich entschied ich mich doch, die Autobahn zu verlassen. Diese Entscheidung hatte ich jedoch schon nach wenigen Augenblicken bitter bereut. Ich kam gerade noch auf die Uferstrasse der Innenstadt und dann ging fast nichts mehr. Ich quälte mich ein paar Häuserblocks durch den zähen Stau. Dabei erhielt ich einen Anruf von meinen Freunden und erfuhr, was man gerade zubereiten würde.
Und das gab dann den Ausschlag. Ich wendete, so schnell ich konnte und hatte keine Schwierigkeiten, wieder zurück auf die Autobahn zu kommen. Danach rund eineinhalb Stunden Fahrt auf der SS1 Via Aurelia (Sie wissen schon: Tunnel, Brücke, Tunnel, Brücke usf.) und nach unzähligen Malen die Sonnenbrille auf- und wieder absetzen erreichte ich mein Tagesziel. Es war ein wunderbarer Abend mit üppigem Essen, VIEL Wein und guter Musik. Zwei der Freunde hatten Gitarren mitgebracht und es gab eine rauschende Session. Grazie mille an Elisabetta, Ernesto, Renzo und Roberto: „It’s wonderful / It’s wonderful / It’s wonderful / Good luck my baby…)“!
Regione Toscana
4. San Gimignano, Provincia Siena
Dank der unbestreitbaren Tatsache, dass Templerreisen nunmal immun gegen die möglichen morgendlichen Nachwirkungen eines schönen Abend machen, reichten die Dusche und die Espressi zum Frühstück in meiner Pension in Massa ohne weiteres aus, um meine erste Tagesetappe für den dritten Tag meiner Reise zu schaffen. Nach ca 2 Std. Autofahrt bei schönstem Wetter über die wunderschöne Hügellandschaft um Volterra (Eine „Hochburg“ der Etrusker) erreichte ich die Stadt San Gimignano in der Toscana. Die mittelalterliche Stadt ist für den Autoverkehr gesperrt. Ich wählte einen der zahlreichen Parkplätze im Süden der Stadt und beim Marsch auf das südliche Stadttor, das sich zur Via San Giovanni öffnet, gelang mir dieses Bild, das zugegeben ohne den weissen Lieferwagen noch etwas beschaulicher geraten wäre:
San Gimignano wird das „Manhattan der Toscana“ genannt. Warum das so ist, fasst Wikipedia zutreffend so zusammen: San Gimignano besitzt noch einige der mittelalterlichen Geschlechtertürme, die in anderen Städten nur als Stümpfe erhalten blieben. Im Mittelalter versuchten die Patrizierfamilien, sich in der Höhe ihres Geschlechterturmes zu übertreffen, obwohl ein luxuriöses Leben in diesen nicht möglich war. Von den einst 72 Geschlechtertürmen existieren in San Gimignano heute noch 15. Die beiden höchsten, der Torre Grossa aus dem Jahr 1311 und der Torre della Rognosa, weisen eine Höhe von 54 bzw. 51 Metern auf.
Geschlechtertürme, vom Domplatz aus gesehen.
Duomo di San Gimignano
Um mir die Suche nach der Templerkirche zu erleichtern, begab ich mich ins Tourismusbüro, wo ich mit einem Plan und guten Ratschlägen ausgestattet wurde. Die Altstadt von San Gimignano ist nicht eben klein und übersichtlich. Vom Domplatz aus machte mich auf den mir gewiesenen Weg und wurde bald fündig.
Die gute Nachricht: Die Kirche war leicht zu finden, denn sie liegt direkt am Stadttor San Jacopo. Und sie war ausgerechnet heute offen! Man erklärte mir, dass dies nur an sehr wenigen Tagen im Jahr der Fall sei. Es war die Giornate FAI di Primavera, und viele vielleicht ehrenamtliche Helfer standen ,mit Rat und Tat zur Seite. Hier ist sie nun, die Templerkirche von San Gimignano:
chiesa templare San Jacopo, 53037 San Gimignano
Templerkreuz auf dem Türsturz unter dem Tympanon
oberer Teil der Fassade, in Ziegelstein ausgeführt
Die schlechte Nachricht: Ich hatte offenbar mein inzwischen schon innig geliebtes „Capone et al.“ im Tourismusbüro liegen gelassen. Und das war ganz schön weit weg! Ich würde es heute noch brauchen und es war ohnehin nicht ganz leicht, das Buch aufzutreiben. Die Mitarbeiter der Organisation waren so nett, mir die Telefonnummer des Tourismusbüros zu nennen. Ich rief dort an. Ja, man hatte mein Buch entdeckt, aber ich müsse mich beeilen, es werde bald zugemacht. Also hetzte ich zurück durch die ganze Stadt, rettete mein Buch und kam erst eine Weile später dazu, die Kirche nunmehr auch innen anzusehen.
San Jacopo: Blick in den Ostchor
Gemälde an der Nordflanke: San Giovanni
Gemälde an der Südflanke: San Giacomo or San Jacopo
Das Kirchenschiff liegt ausserhalb der Stadtmauern
Man weiss nicht, wann die wohl 1096 gebaute Kirche an die Templer gelangte aber in 1239 befand sie sich bereits im Besitz der Templer und wurde von dem Tempelbruder Orlando verwaltet (Capone et al., S. 142). Nach 1309 soll es infolge der Ausführung päpstlicher Beschlüsse zu gewaltsamen Übergriffen gekommen sein. Jedenfalls mußte die Kommune anschliessend einen Geldbetrag bereitstellen, um die Kirche wiederherzustellen Capone et al. S. 142.
Auf dem Weg zu meinem Auto stolperte ich über dieses Hinweisschild an der Strasse nach Poggibonsi:
Das war der Beweis für die These, dass auch der Ort für diese Templerniederlassung wegen seiner Lage an der via francigena ausgewählt wurde.
5. Siena, Provincia Siena
Ich verspürte nur geringe Neigung, die Templerkirche in mit dem Auto zu suchen. Ich hatte vielmehr Lust, mich ein bisschen in Siena treiben zu lassen. Ich fand einen Parkplatz in der Nähe der Porta Ovile, und machte mich zu Fuß auf den Weg.
Siena, Porta Ovile, erbaut ab 1230, Ansicht in Richtung Stadtmitte
Sicht aus der Stadtmitte
Nachdem ich das Stadttor hinter mich gelassen hatte, erhob sich vor mir eine recht steile Strasse, die Via Vallerozzi, deren Ende vorerst nicht absehbar war. Ich erkundigte mich bei einem Ladenbesitzer, wie weit das denn zur Templerkirche sei und verkniff mir die Frage, ob ich wohl eine Sauerstoffmaske für den Aufstieg benötigen würde. Er meinte, dass sähe schlimmer aus, als es ist und ich würde vielleicht eine Viertelstunde brauchen. Die Kirche befindet sich in der Via Comollia kurz vor dem Stadttor des gleichen Namens. Hier ist sie nun:
chiesa templare di San Pietro alla Magione, Siena
Blick in den Ostchor
Fresko im Inneren
Ein Dokument vom 29. Mai 1148 beschreibt die Lage einer Immobilie:“ extra porta de Camollia, prope domum Templi“ (Capone et al., S. 149) . Auf dem obigen Hinweisschild ist noch zu lesen, es sei sicher, dass die Templer in 1207 hier eine „Magione“ (nach dem frz. Wort „maison“) – also ein Templerhaus – unterhielten, an das ein Hospital und eine Herberge für Pilger angeschlossen war.
Jetzt meldete sich aber erst mal der Hunger. Ich war wieder den ganzen Tag herumgehetzt, ohne mir eine Pause zu gönnen und eigentlich stand auch noch Perugia auf dem Programm. Ein paar Schritte vor der Templerkirche war mir bereits ein nettes kleines Restaurant aufgefallen, woher es ungeheuer anziehend roch. Also ließ ich die Templer beiseite, kippte den Plan mit Perugia und dachte erstmal an mich:
Pici sienese al ragù und ein Peroni.
Das war eine absolute Köstlichkeit. Pici sind extradicke Spaghettis und die Sosse war ein Gedicht. Oben links im Bild ist mein „Al Capone“, der für heute ausgedient hatte. Ich verbrachte noch eine Nacht in Massa, wo vorher noch ein gutes Abendessen auf dem Programm stand.
Es war schön in Italien. Ich möchte hier bald wieder her und hoffe, es klappt nochmal in 2017.