Nochmal Languedoc-Roussillon
Das Winterhalbjahr 07/08 und die Zeit des Bücherwälzens war vorbei. Ich habe genug Rüstzeug gesammelt, um die neuen Expeditionen für das Jahr 2008 zu planen. Im Juni zog es uns nochmal in die Pyrenäen-Region, es gab zu den letztjährigen Untersuchungen noch etwas nachzutragen. Zunächst untersuchten wir noch einmal die mutmassliche Templerkapelle der Gemeinde Serres im Departement 11 Aude. Mit Hartnäckigkeit und etwas Glück kamen wir diesmal in die Kapelle hinein, was die letzten Jahre nie möglich war. Innerhalb der Kapelle befinden sich wertvolle mittelalterliche Wandmalereien, etwa an prominenter Stelle an der Decke ein Doppelkreuz, was zumindestens durch die gewählten Farben an den Templerorden erinnert:
mögliche Templerkapelle in 11190 Serres, Dept. 11 Aude, Languedoc-Roussillon Ausschnitt der Deckenbemalung
Bei der letztjährigen Recherchereise in dieser Gegend Frankreichs hatten wir noch eine Templerbesitzung übersehen. Der Ort 11330 Laroque-de-Fa, ebenfalls noch im Dept. 11 Aude gehörte den Templern, die dort auch eine Kirche gebaut haben. Fa leitet sich wohl vom lateinischen Wort fanumab. Es steht für Tempel, Heiligtum, was auf einen gallo-römischen Ursprung des Ortes hinweist.
eglise St. Cyr et St. Julitte, 11330 Laroque-de-Fa, Dept. 11 Aude, Languedoc-Roussillon
Der Innenraum – Blick auf den Chor – zeigt romanische Bausubstanz mit frühgotischem (nachträglich angebrachten ?) Kreuzrippengewölbe.
Wir verliessen jetzt das Departement Aude nach Süden über Schluchten, Gebirge und furchterregende Passstrassen, die atemberaubende Fernblicke erlaubten, sofern man darüber hinwegsehen konnte, dass sich keinen Meter rechts vom Auto Steilhänge mit der Aussicht auf hundert Meter in freiem Fall darboten und erreichten das Departement 66 Pyrénées-Orientales. Diese Gegend wird Roussillon genannt und gehörte im Mittelalter zum Königreich Aragon bzw. Mallorca.
Es wurde zuvor schon darauf hingewiesen, dass der Templerorden in diesem Departement weit überdurchschnittlich begütert war. In der Tiefebene, die von den Pyrenäen-Ausläufern zum Meer führt, gehörte fast jeder Ort irgendwie zum Orden. Es stellte sich vor Ort heraus, dass eine genaue Untersuchung aller bekannten Orte mehrere Tage in Anspruch nehmen würde. Die verfügbaren Hinweise in der Literatur war nicht für alle Orte gleich aufschlußreich. Insbesondere steht eine genaue Untersuchung, welche der mittelalterlichen Gebäude in den Orten von den Templern stammten oder wenigstens von ihnen genutzt wurde, noch aus.
66680 Canohès, Dept. 66 Pyrénées-Orientales, Languedoc-Roussillon
Strassenschild in katalanischer Sprache
eglise de Canohès, aus der Zeit der Templer
66300 Sainte-Colombe-de-la-Commanderie, Dept. 66 Pyrénées-Orientales, Languedoc-Roussillon
Die ehemalige Templerkirche der commanderie Ste. Colombe ist heute von Wochenendwohnungen und Fertigbau-Ferienhäusern umgeben.
Alles kommt einem hier recht „spanisch“ vor, nicht nur die Ortsnamen. Auch das bauliche Ambiente:
eglise de 66690 Palau-del-Vidre, Dept. 66 Pyrénées-Orientales, Languedoc-Roussillon
Der katalanische Ortsname Palau-del-Vidre bedeutet Glaspalast. Seit dem Mittelalter widmet man sich hier der Glasproduktion, die auch heute noch den Ort prägt. Offenbar stehen die zur Glasherstellung erforderlichen Rohstoffe in der Gegend an. Es ist anzunehmen, dass auch die Templer diesen damals sehr lukrativen Wirtschaftszweig nicht verschmäht haben dürften. Beweise dafür stehen aber noch aus.
Vorhof der Kirche: Gebäude- und Mauerreste, sowie Spuren von Verteidigungsanlangen aus der Templerzeit
Gut dokumentiert sind die Überreste der Templerbauten in dem Ort 66300 Nyls, Teil der Doppelgemeinde Nyls-Ponteillas. Ponteillas war auch ein Templerort aber die Kirche dort stammt aus neuerer Zeit und es gab dort nichts mittelalterliches zu sehen. Dafür aber umsomehr in Nyls:
commanderie de 66300 Nyls, Dept. 66 Pyrénées-Orientales, Languedoc-Roussillon
Das damalige Gelände der Templer ist heute von der mairie, dem Bürgermeisteramt vereinnahmt. Die Stadt hatte bereits mit der Restaurierung der baufälligen Gebäudereste begonnen, das Vorhaben aber wieder aufgeschoben. Typische Rechteckkapelle mit ehemals halbrunder Chorapsis.
Der nächste Templerort auf unserer Liste war 66180 Villeneuve-de-la-Raho. Am Ortseingang fanden wir ein Hinweisschild auf eine romanische Kapelle St. Julien aus dem 12. Jahrhundert. Auch wenn sich vor Ort kein sicherer Hinweis darauf fand, dass es sich hier tatsächlich um eine mindestens von den Templern benutzte Kapelle handelt, spricht die Größe und die Lage dafür. In der Literatur gibt es Hinweise, dass St. Julien einer der bevorzugten Heiligen des Ordens war.
chapelle St. Julien, 66180 Villeneuve-de-la-Raho, Dept. 66 Pyrénées-Orientales, Languedoc-Roussillon
Detail an der Aussenwand der Chorapsis
Unsere Reise ans Mittelmeer fand dort ihr Ende, aber für die Rückfahrt hatten wir uns noch einen Pausenstop in der Provence vorgenommen. Ziel dieser Exkursion war die bekannte Templergroßkomturei in 84600 Richerenches, Dept. 84 Vaucluse, Provence-Alpes-Côte d’Azur. Es handelt sich hier bei um eine sehr große, womöglich die größte Templerkomturei in der Grafschaft Provence. Die Provence gehörte damals noch nicht zum Königreich Frankreich sondern als Teil des alten Königreiches von Burgund zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.
commanderie Richerenches, Hauptportal
Dennoch wurden auch in der Provence die Templer inhaftiert, gefoltert und verbrannt. Ein gewisser Karl II, der Lahme aus dem Hause Anjou war um 1307 Graf der Provence und König von Neapel. Er soll aktiv an der Templervernichtung teilgenommen haben. Er sei einige Monate, nach dem er ein paar Templer verbrannt hatte, unter rätselhaften Umständen gestorben. So ging es einigen, die maßgeblichen Anteil an der Vernichtung des Templerordens hatten.
Im Oktober 1307 fand auf Betreiben des Königs von Frankreich, Phillipp IV „le bel“ und seines Beraters Guillaume de Nogaret die Verhaftungswelle der Templer in Frankreich statt. 1312 sprach Papst Clemenz V auf dem Konzil in Vienne das allgemeinverbindliche Verbot des Templerordens für die gesamte Christenheit aus. Anfang April 1314 wurde der letzte Großmeister der Templer, Jacques de Molay, in Paris auf dem Scheiterhaufen hingerichtet.
Guillaume de Nogaret konnte dieses Ziel seines Strebens nicht mehr mit erleben. Er verschied unter nicht abschließend geklärten Umständen am 11. April 1313 in seiner Heimatregion, dem Lauragais im südlichen Languedoc, nur wenige Kilometer vom Einflußbereich der spanischen Templer aus dem Roussillon, die zu diesem Zeitpunkt nach kurzer Gefangensetzung schon zumeist wieder auf freiem Fuß waren.
Papst Clemenz der V., alias Bertrand-le-Got, überlebte seinen Alptraum keine drei Wochen. Er hatte sich ersichtlich nur auf Druck des französischen Königs dazu hergegeben, an der Vernichtung des Templerordens teilzunehmen, obwohl er nicht von der Schuld und der Würdenträger und der Mitglieder des Ordens überzeugt war. Denn die von ihm selbst veranlaßten Untersuchungen hatten – ohne Anwendung von Folter – eher das Gegenteil ergeben. Er starb, nach längerer Krankheit unter ebenfalls nicht abschließend geklärten Umständen am 20. April 1314 in Roquemaure, 40 Kilometer von Richerenches entfernt. In der Provence konnte sich eine große Zahl der Templer ihrer Verhaftung entziehen und die Brüder sollen sich noch in der Nähe aufgehalten haben. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.
Der selbsterwählte Kopf der Templerverfolger, der französische König starb am 29. November 1314 an den Folgen eines Jagdunglücks. Auch hier gehen die Geschichten auseinander. Der Legende nach soll Jacques de Molay kurz vor seinem Ableben in einen letzten Fluch das baldige Ende seiner beiden letzten Widersacher vorhergesehen oder heraufbeschworen haben.
Brunnen der Templerkomturei in Richerenches
angeblich von den Templern erbauter Verteidigungsturm an der Umfassungsmauer der commanderie. Die erst in späteren Jahrhunderten gebräuchlichen Schießscharten sind m.E. nachträglich eingefügt worden.
Grange des Templiers, Richerenches.
Grange bedeutet Scheune. Bei dem hier abgebildeten Bau handelt es sich um einen der größten übriggebliebenen Profanbauten der Templer in Frankreich. Im comtat Venaissin, dem früheren Namen des heutigen Departements 84 Vaucluse, wurde bereits im Mittelalter vorzugsweise hochfeiner Wein angebaut. Die Appellation Châteauneuf-du-Pape ist etwa dort beheimatet.
Die Grafschaft Venaissin gehörte auch damals schon dem Papst. Papst Clemenz der V. siedelte sich die letzten Jahre seines Lebens hier an, mit dem Ziel, sich dem Einfluß des übermächtigen Königs etwas zu entziehen. Es blieb beim Versuch. Denn der König setzte dem Papst sofort treu ergebene Beamte hinterher, die jeden Versuch der Lockerung königlicher Macht am Hofe des Papstes im Keim erstickten. Das Venaissin ist übrigens erst im 18. Jahrhundert an Frankreich gelangt. Bis dahin waren jeweils noch die Päpste die Landesherren.