Im Sommer war Familienurlaub in der Bretagne gebucht. Wir waren in einem gemütlichen Ferienhaus etwas südlich der quirligen kleinen Hafenstadt Paimpol, genauer in der Gemeinde Plouézec, 22 Côtes-d’Armor, einquartiert. Dort – in Paimpol – sitzt man abends in einem der zahlreichen Restaurants rund um den Hafen mit einem fantastischen Blick aufs Meer (d.h. falls es mal da ist, das ist da oben nicht so sicher) und ißt Muscheln oder Galettes. Es war in erster Linie Erholung angesagt und ich hatte die Reise diesmal templermässig überhaupt nicht vorbereitet. Wir wollten uns nach Tagesform treiben lassen. Wir wussten auch noch nicht, welchen Radius für Ausflugsfahrten wir uns stecken wollten, und so liessen wir die Dinge einfach auf uns zukommen. Wir hatten ja sonnige zwei Wochen garantiert. So staunten wir häufig nicht schlecht, was wir alles mehr oder weniger zufällig in unserem Urlaub „entdecken“ durften. Es machte uns manchmal sprachlos. Man darf aber auch nicht vergessen, dass die Région Bretagne vermutlich die am dichtesten „betempelte“ Gegend von ganz Frankreich sein dürfte. Und so ist es nicht unbedingt eine Ausnahme, sondern eher die Regeln, bei ausgedehnten Ausflügen in Templerorten zu landen.
Einer der ersten Ausflüge führte uns südlich über die Uferstrasse D786 nach Saint-Brieuc (bretonisch: Sant-Brieg), eine Stadt mit ca 46. tausend Einwohnern).
1. St. Brieuc
Wir trafen auf eine lebendige Kleinstadt, mit vielen schönen Plätzen, Cafés und Restaurants und einer ganz zauberhaften Altstadt mit unzähligen Fachwerkbauten, nach vermutlich englischer Ständerbauweise, recht typisch für diese Region. Ich hatte irgendwie im Hinterkopf, dass die Templer (natürlich!) auch hier einen Stützpunkt hatten. Ich konnte mir aber nicht vorstellen, dass davon noch irgendetwas übrig sein würde. In Städten war der Baugrund schon immer teurer Luxus und so ist klar, dass profane Templergebäude in den Städten – anders als auf dem Land – regelmässig keinerlei Überlebenschancen hatten. M.W. sind die einzigen profanen Stadtbehausungen der Templer im Original nur noch in Cahors, Beaugency und Caudebec-en-Caux erhalten.
St. Brieuc, bitte sehr:
Ich lasse jetzt mal die Macht der Bilder sprechen und halte mich mit Kommentaren zurück:
Jetzt wurde es auf einmal interessant! Hier sieht man, wie manche der Häuser, die wohl eher nur ca. 400 -500 Jahre alt waren, mit Hilfe von Bauelementen aus dem Mittelalter errichtet oder geschmückt wurden.
Aber es sollte noch viel gruseliger kommen! Völlig ahnungslos spazierten wir an einem Fachwerkhaus vorbei, welches an der Stelle des früheren Templerhauses stand!!! Nichts scheint darauf hinzuweisen. Das Haus ist eher aus dem 16. Jahrhundert. Wie langweilig! Bis meine Tochter mich schließlich darauf aufmerksam machte, dass sie am Haus ein veritables Templerkreuz entdeckt hat:
maison des templiers, Saint – Brieuc
Bei genauerer Nachschau konnten wir noch eine ganze Reihe anderer Balken und Ständer entdecken, die ersichtlich aus einem Vorgängerbau stammten und offenbar zu Dekorationszwecken in den späteren Bau eingefügt wurden.
fleur-de-lys, Zeichen königlicher Macht in Frankreich und Herz
Sonnensymbol, maison des templières, St. Brieuc
Gerade der letzte Ständer zeigt deutliche Spuren der Nachbearbeitung. Es ist danach sicher, dass er nicht ursprünglich für dieses Haus gebaut worden war.
2. „Le Temple du Lanleff“
Der nächste Zufallsfund sollte keine 10 Kilometer von unserem Urlaubsdomizil entfernt liegen. Es handelt sich um eine recht berühmt gewordene Ruine eines Rotundenbaus, um den sich jahrhundertelang die Legendenbildung rankte. Keltisch? Gallo-römisch? Merowinger? Gar die Tempelritter? Im Volksmund heißt das Gebäude immer noch „Le Temple“ Ich hatte mich vor einigen Jahren einmal mit diesem Mysterium befasst.
Ste-Marie de Lanleff, 22290 Lanleff, Côtes d’Armor
Offiziell ist das Bauwerk unter der Bezeichnung „nicht christliches, religiöses Bauwerk“ im amtlichen Denkmalverzeichnis notiert:
http://www.culture.gouv.fr/public/mistral/merimee_fr?ACTION=CHERCHER&FIELD_1=REF&VALUE_1=PA00089253
Der französische Denkmalpfleger (und frühere Schriftsteller) Prosper Mérimée (1803 – 1870) ging davon aus, dass die Kirche von den Templern gebaut worden sei. Er liess sich wohl davon leiten, dass die Templerkirchen der Zentralen des Ordens in London und Paris ebenfalls als Rundbau ausgeführt waren. Dieses Konzept geht vermutlich auf den Amstkollegen Mérimées, den Denkmalpfleger und Architekten Eugène Viollet-le-Duc (1814 – 1879) zurück. Dessen Mythos, dass die Templer eine Vorliebe für Kirchen mit zentralem Grundrissgehabt hätten und dass das etwa mit der geheimen Alchimie von Zahlen zu tun haben könne, ist nach Alain Demurger (Die Templer, Aufstieg und Untergang, 2005, S.159) völlig unbegründet und nicht einmal mathematisch belegt. Bereits Élie Lambert hat sich in einem auch von Demurger zitierten Aufsatz im Jahre 1954 gründlich mit dem Mythos einer angeblichen Templerarchitektur befasst und diesen überzeugend widerlegt (Élie Lambert, L’Architecture des Templiers, in Bulletin Monumental, Hrsg. Société française d’Archeólogie, Tome CXII, 1957, S.129 – 165).
Die Templer haben den weder Rundbau noch den zentralen Polygonbau erfunden. Auch ist eine solche Architektur keine Spezialität des Templerordens. (Demurger, S. 160). Es gab solche Vorbilder schon lange vorher, etwa die Pfalzkapelle in Aachen, die sich an der Anastasis der Heilig-Grab-Kirche in Jerusalem orientierte (Demurger, a.a.O) Die wenigen polygonalen Zentralkirchen sollen mit dem Felsendom in Jerusalem stehen, aber das ist unsicher (Demurger, aaO).
Nach meinen eigenen Feststellungen lassen sich die Rund- oder Zentralbauten der Templer auf einen verschwindend geringen Prozentsatz reduzieren, während die einfache Rechteckbauweise mit einem Prozentsatz von über 90 dominiert. Hier irrt m.E. Demurger, wenn er annimmt, dass dieser vermeintlich begrenzte Bautypus auf West- oder Mittelfrankreich (S. 161) beschränkt sei. Ich fand diese Rechteckkapellen nicht nur in Ostfrankreich (z.B. Avalleur, Champagne und Toul, Lothringen), sondern auch in Polen. Sie gibt es nach meinen Feststellungen (mit dem zentralen Drehkreuz im Burgund) von dem Bordelais bis nach Lothringen und von der Bretagne bis zu den Pyrrenäen. Wenn ich mal Zeit finde, werde ich über die Verbreitung von Baustilen der vermeintlichen Templerarchitektur dereinst mal eine Datenbank aufbauen. Man wird feststellen müssen, dass die Templer häufig einfach nur die lokalen Bautraditionen übernommen haben (Demurger, S. 162). Zu einem nicht geringen Teil schliesst sich an die rechteckige Grundform von Templerkapellen eine halbrunde Chorapsis (z.B. Mesnil-St.-Loup, Champagne) oder eine polygonale, sogenannte Radialapsis (Villedieu, Elancourt, Dept. Yvelines) an.
In England gibt es Rotunden bei Templerkirchen sicher weitaus häufiger (Lambert, S. 143), etwa Garway, Bristol, Temple Bruer und ganz besonders die Ruine der Templerkapelle von Dover
Aber Rotunden gibt es auch an englischen Kirchen, die rein garnichts mit den Templern zu tun haben, wie etwa die Rotundenkirche in Cambridge (Lambert, S. 143). Ich meine, die Vorliebe der Briten für solche Rotunden geht wohl auf pagane Vorbilder, wie Steinkreise, zurück. Demurger ist der Ansicht, dass auch ein Zusammentreffen mit anglo-normannischen Traditionen diese lokale Vorliebe befördert haben mag. (a.a.o. S. 160).
Generell möchte ich festhalten, dass die Verwendung des Wortes „Temple“ in einer Ortsbezeichnung nicht geeignet ist, eine etwaige Templerpräsenz auszumachen. Ein Tempel ist in erster Linie ein nicht christliches Heiligtum. Damit sind zunächst sämtliche griechischen, römischen und gallo-römischen Bauwerke erfasst. Aber auch evangelische Kirchen heissen in vielen Gegenden Frankreichs heute noch „Temple“! Lanleff hat jedenfalls nichts mit der Templerforschung zu tun.
3. Créac’h
Die nächste Station ist nicht zufällig gewählt. Die Templerkapelle von Créac’h ist in der Literatur bestens beschrieben. Laurent Dailliez etwa skizziert sie in seinem Büchlein La France des Templiers, 1974 (S. 121 f.) als stilistisch völlig isoliert und im übrigen verloren in mitten einer Ansammlung von Ruinenresten in den Feldern. Die Kapelle befindet sich im Gebiet der Gemeinde 22960 Plédran, etwas südlich von St. Brieuc.
Templerkapelle Le Créhac, 22960 Plédran
Die Kapelle ist erstmals in 1182 als Templerbesitz urkundlich erwähnt, unter dem Namen Crihirac (Guillotin de Courson, Les Templiers en Bretagne, Nantes, 1902, Neuauflage von 2001, S. 191 f.) Der Boden der Ende des 17. Jahrhunderts renovierten Kapelle ist mit Grabplatten von Templer gepflastert.
4. Moulin du Temple, St. Jean du Temple, 22170 Plelo
Der nächste Volltreffer war wieder ein absoluter Zufallsfund. Wir fuhren von St. Brieuc zurück nach Paimpol und nahmen diesmal nicht die D 786 am Meer, sondern eine Route weiter im Landesinneren über die D 6. In einer starken Linkskurve bemerkten wir rechts einen Parkplatz und dieses Verkehrsschild:
Auf dem Parkplatz selbst war nichts weiter zu sehen, aber es führte ein absurd steiler Weg die Böschung hinab Richtung Trégan und La Corderie. Untem im Tal fand sich eine kleine Ansammlung noch kleinerer Häuser und Gebäude, deren Ursprung gewiss alt, aber schlecht zu schätzen war.
Die Häuser waren gut in Schuß und bewohnt. Ich habe daher auf eine genauere Inspektion verzichten müssen.
Nach der Grösse der Fenster dieses Hauses stammt es nicht Templerzeit. Die Ausführung der Fensterlaibung in massiven behauenen Steinen spricht aber auch entschieden dagegen, dass das Haus modern sei. Ich schätze die Grundmauern dieses Gebäudes hier auf 16 Jhr. Eventuell ist es aber auch ein Neubau unter Verwendung alter Steine.
Das Gebäude wird wohl aus der Templerzeit stammen. Man erkennt es an dem gotischen Türsturz der linken Tür: arc brisée. Wie man deutlich sieht, ist das Haus nach rechts hin erweitert worden.
Templermühle, Plelo, Côte d’Armor
Das Haus im Vordergrund war das Mühlengebäude. Es steht direkt am Bach L’Ic und links unten am Bildrand kann man die Ablaufrinne des Mühlkanals sehen. Das Mühlrad war nicht mehr vorhanden, aber noch einige Installationsreste an der Basis des Hauses.
5. Lannouée
Ein weiterer Ausflug hatte die bezaubernde mittelalterliche Stadt Dinan mit ihren 3000 Metern intakter Stadtmauer zum Ziel. Auf dem Weg dahin war als Templerlocation die Kapelle La Nouée schnell ausgemacht. Sie sollte sich in der Nähe der Stadt Yvignac befinden, etwa 5 Kilometer nordöstlich davon. Die Such im Nahbereich des Ziels brachte uns an einige mittelalterliche landwirtschaftliche Nebengebäude.
Es waren keine Schilder angebracht aber ich gehe davon aus, dass diese Häuser zur Commanderie von Lanouée dazu gehörten. Sie stammen jedenfalls unzweifelhaft aus dem 12 Jahrhundert.
Man darf den Weiler Lanouée im Gebiet der Gemeinde Yvignac nicht mit einem 40 Kilometer entfernt im Departement Morbihan liegenden, gleichnamigen Ort 56120 Lanouée verwechseln! Wir lagen hier richtig, wie das Schild beweist:
Und da war sie auch schon, die Templerkapelle von Lanouée. Diese wurde im Jahre 1182 gegründet und ihr Name wurde unter folgenden Schreibweisen aktenkundig: Lanhoe, la Noueix, la Nouaye, Lannoeix. Sie ist eine der ältesten Gründungen des Ordens überhaupt. (Guillotin de Corson, a.a.O., S. 188, 189).Ich war ganz überrascht, diese Kapelle so renoviert anzutreffen. Ich kannte die düsteren Schwarzweiss-Bilder aus Dumontier, Les Templiers en Bretagne etc.., aber das Buch ist von 1980 und die Fotos vielleicht noch viel älter. Früher war die Kapelle stark mit Efeu umrankt und von Bäumen und Büschen versteckt.
Wie man sieht , ist es dort jetzt schön aufgeräumt und ordentlich.
Im Hintergrund kann man erkennen, dass sich jemand kürzlich dort auf dem Gelände ein Gehöft zu Wohnzwecken hergerichtet hat. An dessen Tor prangt ein Schild „la Commanderie“.
6. Yvignac
Nach Aubarbier (S. 134) sollen die Templer in der nahen Kleinstadt Yvignac für den Bau der Pfarreikirche St. Malo verantwortlich gewesen sein. Immerhin gibt es dort schon einmal ein Restaurant, was nach den Rittern benannt wurde:
Der Kirchturm ist von 1874 Auch die Kirche selbst zeigt zahlreiche Modernisierungsarbeiten aus dem Ende des 19 Jhr., die erforderlich waren, um den drohenden Zerfall und Abriss abzuwenden.
Das Innere des Hauptportals verrät den Ursprung der Kirche im 12. Jhr.
Die drei Fenster sind für Templerkirchen typisch. Ein Hinweisschild der Gemeinde besagt, dass die Kirche entweder von den Templern oder von einer anderen lokalen Herrschaft gebaut wurde, offenbar lässt sich das nicht genauer in Erfahrung bringen.
Neben der Kirche befindet sich eine ca 1000 Jahre alte Eibe, deren Baumstamm ausgehöhlt ist. Die Eibe (frz. If) soll dem Ort den Namen gegeben haben
Eine kleine Kuriosität am Rande: Yvignac ist mit einem Ort Ivenack in Deutschland verschwistert und der hat nicht nur einen ähnlich klingenden Namen. Er ist ebenfalls für mehrhundertjährige Bäume berühmt!
Direkt neben der Kirche dieses doch typische Beweiszeichen, was wir aus vielen anderen Templerbesitzungen kennen, sogar aus Deutschland (Süpplingenburg).
Das dürfte ein Templerkreuz sein.
7. Le Temple, Jugon les lacs
Auf der Fahrt von und nach Dinan sah man von der Schnellstrasse aus eine Ausfahrt Jugon-les-Lacs und Le Temple. Das ist eher auch wieder ein Zufallsfund, ich konnte mich an diese Ortsbezeichnung nicht erinnern.
Wir trafen auf weit verstreut liegende Gehöfte, einige davon hatten sehr alte Bausubstanz zu zeigen.
Das hier scheint mir ein Volltreffer zu sein. So sehen viele ländliche Commanderiegebäude der Templer aus, etwa Marbotte in Aprémont-le-Forêt, Lothringen. Wie man sieht ist das Haus bewohnt, sodass ich nicht weiter ging.
Die Nachschau bei Aubarbier (S. 135) ergab, dass dieser Ort der Templerliteratur bekannt ist und dass es sich hierbei um eine Dependance der Commanderie von Lanouée gehandelt habe.
8. Dinan und St. Malo
Hier ist ein kleiner Abschnitt der angeblich 3000 Meter Stadtmauer von Dinan:
22100 Dinan
In grösseren Städten hatten die Templer zumeist jeweils auch Niederlassungen. Auch für Dinan (Aubarbier, S. 135) und St. Malo (ders., S. 143) scheint das zu gelten. Zu sehen gibt es in Städten, insbesondere in Grosstädten zumeist nichts mehr. Kirchen der Templer gibt es schon öfters mal auch mal in Städten zu sehen(z.B. Avignon), aber an Kirchen wagt man sich mit der Abrissbirne ohnehin nicht gerne heran. Schon garnicht in Frankreich. Profanbauten hatten da weit weniger Glück. Es macht praktisch keinen Sinn, in Grossstädten nach Templermauern (Z.B. in Mainz gibt es eine) zu suchen. In Dinan soll das Templergebäude an der Stelle des Konvents der Cordeliers (Franziskaner) gestanden haben . Wir fanden immerhin einen Nachtclub, der an den Orden erinnern möchte:
Nachtclub „Les Templiers“ in Dinan
In St. Malo fiel uns per Zufall ein Strassenschild ins Auge:
Escalier de la Préceptorie, 35400 St. Malo
Preceptorie ist ein anerkannter Templerbegriff. Der Präzeptor ist ein wichtiger Dienstgrad und manche Templereien, z.B. Preceptorie de Centernach tragen das Wort im Namen. Vielleicht hilft unser Hinweis ja weiter…. St. Malo wurde 1944 fast total zerstört. Es erübrigte sich also die Nachschau nach Templersteinen.
Frankfurt am Main, Oktober bis November 2013