England – Teil 3, Cornwall und Somerset
Sommerferien mit der Familie in England auf dem Lande! Wir fuhren wir diesmal mit dem Auto nach England, weil das Hündchen mitkommen sollte. Doch ein Stempel im Hundepass fehlte und so mussten wir erst in Dunkerque einen Tierarzt aufsuchen. Wir verpassten dadurch nicht nur unsere Fähre, sondern die nächste und die übernächste auch noch. Wir kamen daher erst gegen 20:00 in Dover an, viel zu spät, um die Ruine der Templerkirche in Dover besuchen zu können. Die Fahrt vom südöstlichsten Punkt Englands bis in dessen Südwestspitze sollte lt. Reiseroutenrechner ca. 5 Std. dauern. Tatsächlich kamen wir erst um 02.00 – nach einer sehr anstrengenden Fahrt (die Briten benutzen bekanntlich die falsche Strassenseite 🙂 ) durch heftige Regenschauer – in unserem Feriendomzil in Cornwall an: Das Gamekeepers Cottage in den Tregrehan Gardens, Gemeinde Par, Cornwall. Ich möchte das sehr gerne weiterempfehlen. Wir wurden sehr herzlich willkommen geheißen und aufmerksam nach evtl. Sonderwünschen befragt. Ein perfekter Urlaub bahnte sich an. Es gibt dort herrliche Gartenanlagen zu besichtigen, mit Bäumen aus Überseee: Südafrika, New Zealand, Kalifornien, Australien u.v.m. Die Familie der heutigen Eigentümer sammelt dort seit dem frühen 19. Jahrhundert Pflanzen aus aller Welt.
Tregrehan Hall, ca. 1820
Unsere Ferienwohnung Tregrehan Cottages, 1840
1. Templer in Cornwall
Nicht einmal 20 Meilen entfernt von unserer traumhaften Unterkunft, die keine Wünsche offenliess, befindet sich die nächste Templerei, soweit ersichtlich die einzige in Cornwall, auf dem Gebiet der Gemeinde Blisland nahe des Colliford Lake. Wir befinden uns mitten im Bodmin Moor, das zur Zeit der Templer noch „Temple Moor“ (Simon Brighton, S. 116) genannt wurde! Wegen eines Umbaus der A 30 an der Stelle ist die Ausfahrt nach Temple nur schlecht zu finden. Die Zufahrt ist nur aus nordöstlicher Richtung kommend möglich. Die A 30 ist heute wie früher die wichtigste Zufahrtsstrasse nach Cornwall und führt durch das Bodmin Moor. Die Ausfahrt liegt etwa auf der halben Strecke zwischen Launceston an seinem Eingang und Bodmin an seinem Ende. Ein strategisch wichtiger Platz also, denn auch die Pilger benutzen damals schon diese Fernstrasse durch das Bodmin Moor, um einen der Pilgerhäfen an der südwestlichen Küste Englands zu erreichen.
Als wir die A 30 auf einem schmalen Feldweg verliessen, um uns langsam über das Moor der Temple Church zu nähern, verschlug es uns beim Anblick einer offenbar sehr alten Brücke, die noch intakt ist, den Atem:
Templerbrücke, Bodmin Moor
Aber das eigentliche Ziel unseres Tagesausfluges steigerte unsere Begeisterung noch um ein vielfaches.
Die Ortschaft, in der sich diese Wegmarkierung befindet, besteht nur aus einer Handvoll von Gebäuden, die vielfach teilweise mit offensichtlich im Mittelalter behauenen Steinen errichtet worden sind:
Vermutlich handelt es sich um Baumaterial aus den alten Templergebäuden, von denen sonst nichts mehr übriggeblieben ist. Aber das:
Temple Church, Blisland, Bodmin Moor
Die Kirche war sogar auf!
Wie man sieht, ist die Kirche innen modern restauriert, und zwar im Jahre 1883. Im Jahre 1584 hatte die Kirche einen denkbar schlechten Ruf. Ungesetzliche Hochzeiten wurden geschlossen und sogar Selbstmörder konnten beerdigt werden (Brighton, S. 119). Schliesslich stürzte die Kirche im Sturm in sich zusammen und begrub einen Obdachlosen, der dort vergeblich Schutz gesucht hatte (aaO). Von der alten Kirche stand nur der links im Bild zu sehende Bogen, aber sie wurde unter Verwendung des Original-Materials im gleichen Design wieder aufgebaut (aaO).
Hinter der Kirche befindet sich noch ein Nebengebäude oder Schuppen, in dessen Fassaden verschiedene behauene Steine hineinverarbeitet worden sind, um sie für die Nachwelt zu erhalten:
In der Mitte sieht man das Handwaschbecken der alten Kirche, das sog. piscina. Zwei Steine, der links neben dem Becken und an der unteren rechten Ecke zeigen (etwas primitiv) eingeritzte Kreuze. Nach Simon Brighton, S. 120, der sich dabei auf R.A. Courtney stützt, seien dies Reste sogenannter standing stones aus dem Neolithikum, die auf diese Weise „christianisiert“ worden seien. Wenn die frühen christlichen Missionare die Leute nicht davon abhalten konnten, ihre heidnischen Steinstelen zu verehren, hat man anfangs eben einfach ein Kreuz hineingeritzt und später die Spitze dieser standing stones oder menhire häufig von Steinmetzen zu Kreuzen umarbeiten lassen, wie dies überall in Irland und Grossbritannien zu sehen ist.
Detailansicht des Fensters im Ostchor:
Das Tatzenkreuz der Templer, eine moderne Arbeit
Informationsblatt mit geschichtlichen Details:
Und was gabs sonst noch im Bodmin Moor?
Geologische Formation oder neolithisches Monument?
2. Templer in Somerset, Templecombe
Die nächste Templerstation war zu weit von unserer Unterkunft entfernt, um sie in einen Ausflug einbeziehen zu können, nämlich 138 Meilen oder 2 1/2 Autostunden über die A 30, die kurz nach Honiton in die A 303 übergeht. Also überließen wir während der Ferien die Templer sich selbst und erkundeten die entzückenden, eleganten, quirligen oder mondänen Hafenorte in unserer Umgebung. Die nächste Templerniederlassung auf dem Weg von Bodmin Moor nach London befindet sich etwa auf dem halben Weg von Exeter nach Andover im Südosten von Somerset, direkt an der Grenze zu Dorset. Wir nahmen diesen Ort daher erst auf dem Heimweg nach Dover in Augenschein:
Templar Church St. Mary, Templecombe, Somerset
Templergräber
Ansicht von Osten
ebenso
Ostchor von innen
Dachkonstruktion
Die Templer erhielten diese Besitzung von Serlo FitzOdo, einem Nachkommen des Bischofs Odo von Bayeux im Jahre 1185 (Brighton, S. 110).
In der Nähe der Kirche machte eine Dame namens Molly Drew in den fünfziger Jahren – zufällig – eine aufsehenerregende Entdeckung. Sie sammelte Holz in ihrem Schuppen und bemerkte, dass sich vom (hölzernen) Dach des Schuppens ein Stück Putz abgelöst hatte und heruntergefallen war. Sie blickte hinauf und entdeckte das gemalte Gesicht eines Bärtigen, das auf sie herabsah (aaO). Sie berichtete von leuchtenden Farben, die kurz danach den dilettantischen Versuchen des damaligen Vikars, das Bild zu reinigen, zum Opfer fielen (somersetroutes.co.uk) . Das Bild wurde jahrelang in der Kirche St. Mary aufbewahrt (offenbar bis 2006, dem Erscheinungsjahr von Brightons Buch) und befindet sich jetzt in Bischofspalast in Wells.
Quelle: http://www.somersetroutes.co.uk/
Es ist schon viel Tinte geflossen über das, was es mit dieses Bild auf sich haben soll. Ist es eine Kopie des Grabtuches von Turin? Eine Abbildung des Schleiers der Veronika, des sog. Mandylions? Fakt ist, es zeigt einen bärtigen Mann. Keine Inschrift, kein Heiligenschein. Stellt es Jesus dar, oder gar Johannes, den Täufer? Warum hat es keinen Heiligenschein? Handelt es sich um eins der sagenhaften Kopfidole, die die Templer nach Ansicht ihrer Ankläger angebetet haben? Man wird es wohl nie genau wissen. Mit ein bisschen zeichnerischer Fantasie könnte man leicht etwa die vermeintliche Ähnlichkeit zum Grabtuch von Turin darstellen. Das erscheint aber eher eine Spielerei.
Bild kopiert aus Miryline blogspot
Es fällt auf, dass das Gesicht auf dem Gemälde in keiner Weise entspannt wirkt. Der Mann hat aufgerissene Augen, einen starren Blick und einen wie zum Schrei geformten Mund. Soll das vielleicht einen abgeschlagenen Kopf darstellen?
Tatsächlich gibt es in Templerkirchen oft Kopfskulpturen, die einen Kopf ohne Heiligenschein mit heraushängender Zunge zeigen. Für mich stellen sich diese Bilder regelmässig als Abbildungen des abgeschlagenen Kopfes von Johannes dem Täufer dar.
chapelle St. Jean-Baptiste, le Grand-Madieu, 16 Charente, Poitou-Charentes
Der Umstand, dass das Bild von Templecombe (nur) den Kopf einen Bärtigen mit geöffnetem Mund und weit aufgerissenen, starren Augen, aber ohne Halsansatz (!) zeigt, spricht vielleicht dafür, dass es sich hier auch um den abgeschlagenen Kopf des Johannes handeln könnte. Johannes wird auch in der Ikonographie häufig nicht mit einem Heiligenschein abgebildet. (Heiligenlexikon.de)
In dem Zusammenhang drängt sich ein Vergleich mit anderen Skulpturen von Menschenköpfen an Templerkirchen, insbesondere der für ihre Fresken weltberühmten Templerkirche von Montsaunès auf.
Detail vom Hauptportal, Westfassade Templerkirche 31260 Montsaunès, Dept. Haute-Garonne
Achten Sie bitte auf die weitaufgerissenen Augen und den starren Blick vieler Gesichter. Bei manchen hängt die Zunge heraus. Bei dem zweiten und den vierten von links sehen wir eine ovale Öfffnung des Mundes, die dem Bildnis von Templecombe sehr ähnlich ist.
Sollten also die Gesichter mit den angstvoll aufgerissenen Augen und Mündern auf dem Portal von Montsaunès tatsächlich, wie ich vermute, abgeschlagene Köpfe darstellen, so dürfte der (einzelne) Kopf von Templecombe tatsächlich den Johannes zeigen. Aber was bedeuten dann die vielen Köpfe von Montsaunes? Mir ist heute Nacht eine Idee gekommen, die eventuell eine Erklärung dafür liefern könnte. Die Kreuzfahrer hatten im Jahre 1187 die Schlacht von Hattin verloren und hunderte von teilnehmenden Tempelrittern und Johannitern fielen in der Schlacht selbst. Aber es gerieten auch weitere hunderte von ihnen in Gefangenschaft. (Wikipedia) . 230 gefangene Templer und Johanniter wurden auf Anordnung von Saladin enthauptet (Aubarbier, S. 16, Jan Hosten, S. 118). Der Templerorden hatte nie zuvor eine solche Niederlage erlebt. Das ganze Abendland stand unter Schock. Ist das Portal von Montsaunès vielleicht eine Hommage an die hingerichteten Templer von Hattin?
Das kann man jedenfalls nicht ausschliessen, denn der zeitliche Rahmen könnte ganz gut passen. Die Commanderie wurde zwar schon 1156 gegründet (Aubarbier, S. 232), aber die Kirche entstand erst gegen 1180 (a.a.o. und Templerlexikon). Genaueres ist über den Zeitpunkt nicht bekannt. Aber da eine solche gewaltige Kirche nicht über Nacht gebaut wird und die Templer erstmals im Jahre 1187 den Anblick einer solchen Menge abgeschlagener Köpfe ihrer Brüder verdauen mussten, ist es mindestens naheliegend, dass das Portal von Montsaunes auf die Katastrophe von Hattin hinweisen soll. Gelesen habe ich dazu aber bisher noch nichts.
Was gab es sonst noch schönes zu sehen auf unserer Englandreise? Hier noch eine kleine Auswahl.
Schaurig schön: Tintagel Castle, nur der Sage nach Sitz von König Artus, erbaut 1230
Launceston Castle, vor 1067, normannische Burg, sogenanntes Motte-and-bailey castle
Mên-an-Tol, Megalith-Formation, Penzance, Cornwall, 3000 bis 4000 Jahre alt
Der Verfasser und seine Tochter, nicht ganz so alt 🙂
Es hat uns gut gefallen in England, wir möchten da so bald wie möglich wieder hin.