2010, Juni, England – Südosten

Templer in England

Der nachfolgende Beitrag wurde im Dezember 2015 nachbearbeitet, weil beim Import des Seiteninhaltes in ein neues Format die Fotos nicht mit „umgezogen“ waren. Ausserdem habe ich noch ein paar zusätzliche Fotos eingestellt.

Teil 2: Der Südosten

Es hat etwas länger gedauert, mit der bereits im Juni 2009 angekündigten Reise durch England. Erst im Sommer dieses Jahres ergab sich eine Gelegenheit, einen Teil des Urlaubes im Südosten Englands zu verbringen, und dabei – wie gewohnt – Erholung und Forschung in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.

Zunächst quartierte sich die Familie in Surrey ein, südlich von London, auf halben Weg zwischen Meer und Grossstadt. Gleich am ersten Tag wollte die Mehrheit der Reisegruppe ans Meer, hinab nach Brighton. Aber auf dem Weg dahin befanden sich zwei Templerorte, die – aufgrund des Familienkompromisses – natürlich nicht unbeachtet bleiben durften. Wir mussten nur eine gute halbe Stunde in südwestlicher Richtung fahren und erreichten die erste Templerstation:

1. Shipley (West Sussex)

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early Norman church of St. Mary, Shipley, West-Sussex

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Detail aus dem Innenraum

Die Autorin Helen Nicholson hat bei ihren Recherchen zu ihrem vor ca. einem Jahr erschienen, sehr verdienstvollen und empfehlenswerten Buch:  NICHOLSON, Helen J., The Knights Templar on Trial, The History Press, Stroud, 2009  u.a. beobachtet, dass die Lage dieses Templerbesitzes keineswegs zufällig gewählt war. Man installierte sich vielmehr in unmittelbarer Nähe zu Ausläufern des Flusses Adur, der heute zwar in diesem Abschnitt weitgehend versandet ist, aber im Mittelalter nach den Feststellungen der Autorin noch befahrbar gewesen sein muß. Natürlich muss man sich die Wasserfahrzeuge des Mittelalters für den Binnenverkehr sehr viel bescheidener als heutige Binnenfahrzeuge vorstellen. Es waren zumeist schmale, aber recht lange Nachen mit einem Flachboden, die nur einen geringen Tiefgang aufwiesen und dennoch mit erstaunlichen Mengen von Waren beladen werden konnten. Wie jeder Hobby-Skipper weiß, reicht „eine Handbreit Wasser unter dem Kiel“ vollständig aus, um fahren zu können, und so konnte die Wassertiefe eines Gewässers 50 cm oder weniger betragen und dennoch den Verkehr mit geeigneten Wasserfahrzeugen gestatten.

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Südeingang zum Kirchenschiff von Shipley.

Man beachte rechts unten im Bild den graubraunen Stein.  Helen Nicholson teilte mir mit, dass es sich dabei um einen Schiffspoller handelt, den man vom Rand eines entsprechenden Beckens des Flusses Adur hierher gebracht hatte und an dem die Schiffsführer damals „festmachen“ konnten. Ich spekuliere, ob der Ortsname selbst ein Anzeichen für bedeutsamen Schiffsverkehr darstellen könnte aber er geht wohl auf das angelsächsiche Wort für Schafzucht zurück. Die Templer brauchten solche Umschlagsplätze, um die in ihren zahlreichen Besitzungen produzierten Waren zu exportieren. Der Adur mündet bei Shoreham-by-Sea in den Ärmelkanal und dort befindet sich heute noch ein Seehafen, der von den Normannen im 11. Jahrhundert begründet wurde.

http://www.glaucus.org.uk/Shoreham.html

2. Sompting (West Sussex)

Die Templer-Kirche von Sompting befindet sich ausserhalb des Ortes mit dem Namen, man erreicht sie, wenn man die A 27 eine Ausfahrt westlich vor der eigentlichen Ortsausfahrt nach links (Ri. Nord) verlässt und die Church Lane ca. hundert Meter hinauffährt. Sompting befindet sich etwa 7 km westlich von Shoreham in der Nähe des Seeufers.

 

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church of St. Mary the Blessed VirginSompting, West-Sussex

SONY DSCDetail aus dem Innern der Templerkirche von Sompting.

Die Darstellung des Heiligenscheins erinnert stark an ein Graffiti, in die Verliesmauern geritzt von verhafteten französischen Templern im Château Coudray von Chinon.

http://www.templerlexikon.uni-hamburg.de/Chinon2.jpg

Jetzt war aber erstmal die Familie dran, man verbrachte seine Zeit in Brighton oder London. Nach zwei Tagen verlegten wir unseren Standort nach Folkestone, wo der Eurotunnel endet.

Ein kleiner Ausflug nach Canterbury ermöglichte einen Besuch der dritten Templerstation, die auf dem Weg lag:

3. Temple Ewell (Kent)

Hier errichteten die Templer im Jahre 1170 eine normannische Kirche anstelle einer älteren hölzernen Konstruktion von den Sachsen. Die Kirche war in dem recht kleinen Ort nicht sogleich zu finden. Der Ort liegt an verschiedenen Hängen und die Kirche selbst ist dicht mit Bäumen umstanden, sodaß man sie erst „auf dem letzten Meter“ erkennt. Mit etwas Geduld wurden unsere Bemühungen belohnt.

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Norman church of St. Peter and Paul, Temple Ewell, Kent

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Ostseite

Die Templer erhielten in Temple Ewell ein manor vom König als Anerkennung ihrer Dienste bei den Kreuzzügen. (Wikipedia)

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Sie gründeten sodann an diesem Ort eine Präzeptorie und bauten die Kirche Peter und Paul im Jahre 1170 (aaO).

4. Strood (Kent)

Der nächste Tag war Strand- bzw. Shoppingtag für die Familie. Das schaffte Zeit für einen Ausflug in den hohen Norden der Grafschaft Kent, wo sich gegenüber der Stadt Rochester an dem nördlichen Ufer des Medway ein Temple Manor in der Gemeinde Strood befinden soll. Die Adresse: Knights Lane. Mein Navi kannte keine Knights Lane in Strood. In einem Pub erhielt ich eine der wenig hilfreichen links-rechts-rechts-links-dann-am-Supermarkt-hinter-der-Ampel-wieder-rechts Lösungen, die einem nichts nützen, weil man sich das nicht alles merken kann, zumal man noch auf den (Links-)Verkehr usw achten muß. Nach dem dritten vergeblichen Anlauf bat ich einen Taxifahrer, mich dahin zu lotsen. Er erwies sich als Freemason (Freimaurer) und Heimatkundiger und war hocherfreut, mir helfen zu können. Er brachte mich dahin und wir mußten beide feststellen dass die Anlage geschlossen war. Es ist nur Samstags und Sonntags zu bestimmten Stunden geöffnet. Wegen einer Vandalismus-Attacke auf das Anwesen ist es hinter übermannshohen, fast blickdichten Zäunen verborgen und die Knights Lane geht durch ein etwas betagtes Industriegebiet, in dem man niemals mit einem solchen historischen Kleinod gerechnet hätte. In den angrenzenden Grundstücken befinden sich ausschliesslich Gewerbebetriebe. Bei zweiten Anlauf am Samstag war geöffnet und die nette Dame hat bereitwillig auf Fragen geantwortet.

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Temple ManorStrood, Kent

Von den Templern stammt der zweistöckige Teil in der Mitte des Gebäudes. Die Holztreppe ist erst wenige Jahre alt. Die Ziegelsteinanbauten stammen aus der Rennaissancezeit. Das Manor gehörte zu dieser Zeit der Gräfin von Pembroke. Das Heftchen von English Heritage über Strood Manor verrät, dass die Templer zur Errichtung dieses Hauses vielfach auf sogenannten Purbeck-Marmor zurückgegriffen haben. Das schockte mich etwas, denn ich weiss von einem fast dreissig Jahre zurückliegenden England-Urlaub, dass sich die Purbeck-Steinbrüche sich in der Nähe von Swanage in Dorset befinden und das ist ca. 250 km von hier entfernt. Das spricht für wirtschaftlichen Wohlstand der Templer.

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Blick in das Untergeschoss: Ein perfekt erhaltenes Kreuzrippengewölbe

Von dem Gebäude aus kann man das Ufer des Medway heute nicht mehr sehen. Man ahnt nicht, wie nah man tatsächlich dem Gewässer ist. Dichte Bäume und eine Bahnstrecke verhindern das. Ich machte mir die Mühe, eine seitliche Sackgasse unter dem Bahngleis auszuprobieren, obwohl es sich dabei um eine Privatstrasse handelt. Die Mühe lohnte sich: unterhalb der Böschung von Strood Manor hatte man freien Blick auf Rochester- Castle am anderen Ufer des Medway und man ist geneigt, sich vorzustellen, dass die Templer an dieser Stelle eine Fähre betrieben haben dürften, wie das auch für andere Templerorte belegt ist, z.B. für Faxfleet (H. Nicholson). Zwar befand sich in der Nähe eine hölzerne Brücke, doch die wurde 1263 anläßlich einer kriegerischen Auseinandersetzung zerstört (Wikipedia).

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Blick vom linken Ufer des Medway auf Rochester Castle

800px-Temple_Manor_from_HastedStich  von 1767: Blick auf Strood Manor vom rechten Medway-Ufer (Seite von Rochester), Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/Strood

5. Cressing (Essex)

Wir verliessen unser Quartier in Folkestone wieder Richtung London, wo ich meine ungebremst einkaufswütigen Damen nahe der Londoner Ringautobahn an einer der östlichsten Bahnsstationen den London Underground Verkehrsbetrieben übergab und ich machte mich weiter nach Nordosten auf den Weg in die Grafschaft Essex, wo mich zwei der ältesten und grössten Scheunengebäude der Welt erwarteten:

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Templar wheat barn, CressingEssex

Die Templer erhielten das Land von Cressing im Jahre 1137 von Matilda, der Frau des Königs Stephen. Zu dieser Zeit herrschte in England Bürgerkrieg und es war gleichzeitig der Zeitraum, in dem sich der Wohlstand des Ordens in England am meisten erhöhte. Die Templer erhielten Land von beiden Bürgerkriegsparteien, jeweils in der Hoffnung, sich damit Wohlverhalten zu sichern. Den Templern konnte das nur recht sein.

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Templar barley barn, CressingEssex, vermutlich die älteste Fachwerkscheune der Welt

Aufgrund der hohen Baukunst und mit viel Glück trotzen diese beiden Gebäude über 800 Jahre den Stürmen, aber auch der Feuersgefahr und sie haben die Abmessung von Kathedralen!

Abends holte ich meine Damen südlich von Croydon aus dem System der Londoner Verkehrsbetriebe wieder ab und wir nahmen wieder Quartier in der Nähe des Flughafens Gatwick.

6. Bisham Abbey (Berkshire)

Um hierher zu gelangen, musste man London auf der Ringautobahn M 25 westlich umrunden und die M 4 nach Westen abfahren. Das Gelände der ehemaligen Templerei gehört heute dem National Sports Council und Besucher sind grundsätzlich nicht erwünscht. Das merkte ich erst zu spät, denn als ich am Tor ankam, war dieses geöffnet, sodass ich mich garnicht lange mit den am Eingang befindlichen Schilder befasste. Ich erfuhr schnell, dass an diesem Tag eine Hochzeitsfeierlichkeit stattfand, und dass man wegen der vielen Gäste das Gate einfach offengelassen hatte. Was ich sah, verschlug mir den Atem:

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Bisham Abbey ManorBisham, Berkshire

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Detailansicht der Arkaden

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Ansicht von Südwesten

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Dieser Turm stammt wohl auch aus der Zeit der Templer. Er befindet sich unmittelbar am Ufer der Themse. In Frankreich haben die Templer auf ihren Commanderien häufig Türme für Tauben errichtet. Ich vermute, dass es sich hierbei ebenfalls um ein solches Taubenhaus handeln könnte. Es kann aber auch ein Wachturm zur Themse hin gewesen sein.

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Dieses Bild zeigt ein Seitengebäude das ebenfalls zum Teil aus mittelalterlichen Steinen errichtet ist. Es könnte sich früher um Stallungen oder Wohngebäude der Beschäftigten des Ordens gehandelt haben.

Der Komplex beherbergt heute das Bisham Abbey National Sports Centre und ist eigentlich öffentlich nicht zugänglich. Mit meinem Fotoapparat hielt man mich für einen Fotografen der Gesellschaft und so konnte ich mich gründlich umsehen.

Ich schliesse diesen Reisebericht mit einigen unkommentierten Impressionen aus Canterbury, einem sehr anheimelnden Städtchen:

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