2009 Languedoc

Die Templer im Languedoc

Auch im Languedoc waren auf den letztjährigen Reisen noch einige Fragen offen geblieben, ausserdem wollte ich prüfen, ob sich die Präsenz der Templer entlang der damals sehr wichtigen Fernstrasse, der via domitia, auch auf der anderen Seite des Rhône feststellen lassen würde. Ich untersuchte die Gegend um Béziers und Narbonne. Die Suche galt vor allem der in der Literatur vielfach erwähnten aber auch heftig umstrittenen früheren Commanderie Peirois. Von den erhaltenen Dokumenten weiss man, dass diese Commanderie recht bedeutsam gewesen sein muß. Aber wo lag sie? Nur dass sie sich in der Région Languedoc befinden würde, war klar.

Der Templer-Forscher George Kiess möchte  diesen Ort gerne in Bezug zu seiner Heimatregion bringen und sie damit in die Nähe des Geheimnisses um Rennes-le-Château ziehen:

„Cette charte concerne le lieu de „Peirois“ (Peyrolles ?) … in terminio quem vocant Peirois, in loco vocant Pratum Alibarderium.“ (George Kiess, Des Templiers en Haut-Razès, Quillan, 1990, S. 8)

Auch die Autoren Andrews und Schellenberger setzen den Ortsnamen „Perois“ einer (vermutlich der gleichen) Übertragungsurkunde mit Peyrolles gleich, ohne für diese Behauptung allerdings einen Beleg anzuführen (Richard Andrews und Paul Schellenberger, Das letzte Grab Christi, London 1996).

Peyrolles ist u.a. ein kleiner Ort im Departement Aude. Dort gibt es meinen Untersuchungen nach keine beweiskräftigen Spuren für eine einstige Templerniederlassung. Der Forscher Émile Bonnet, Präsident der archäologischen Gesellschaft von Montpellier schrieb 1934:

„La plus importante maison de l’Ordre du Temple dans le Narbonnais se trouvait à Périeis, aujourd’hui sur le territoire de la commune de Nissan (Hérault), … Elle est désignée dans les textes sous le nom de Petrosio, de Petrosiis, et encore de Peyrosio.“ (Les Maisons de l’Ordre du Temple dans le Languedoc Méditerranéen, Nimes, 1934).

Diesem vielversprechenden Beitrag wollte ich nachspüren. In der Nähe der Stadt Béziers im Departement Hérault befindet sich tatsächlich eine Gemeinde Nissan. Sie heißt heute Nissan-lez-Enserune. Dieser Ort befindet sich unmittelbar neben der zunächst griechischen, später gallo-römischen Siedlung Oppidum d‘ Enserune, direkt an der Strasse zwischen Béziers und Narbonne, dem alten Fernweg via domitia.

Folgt man der Strasse weiter nach Südwesten, findet man zwischen Nissan (Dept. Herault) und Coursan (Dept. Aude)  – noch auf dem Gebiet der Gemeinde Nissan-lez-Enserune, aber schon fast an der Grenze zur Aude – tatsächlich einen winzig kleinen Ort namens 34440 Périès (Templerorte haben oft drei gleiche Zahlen in der PLZ ).

Den nahmen wir ins näher unter die Lupe. Man überquert eine Bahnlinie, findet zwei drei Weingüter und einen winzigen Ort dahinter, mit einigen ca. 20 Häusern, zumeist aus dem 19. Jh. Ein Teil des Ortes scheint im Karrée angelegt zu sein. Die Häuser gruppieren sich um eine Art Platz und irgendwie fühlte man die Templerpräsenz mehr, als man sie sah.

Klar wurde schnell, dass von dem Platz drei oder vier Pforten nach draussen führten.

34440 Périès, Westpforte

Auf dem Bild sieht man den westlichen Eingang zum Hof. Die Fassade des Hauses links daneben zeigt einen mittelalterllichen Rundbogen. Deutlicher zeigte sich das Mittelalter schon an einem sorgfältig gearbeiteten Brunnen. Schilder gabs dazu aber keine:

Hinter dem Brunnen ist das Nordtor. Man kann mit Mühe rechts von der Bildmitte noch einige Reste des Nordtors erkennen.

Aber so richtig „templerisch“ wollte das alles noch nicht recht aussehen. Wir verliessen den innenhofartigen Platz durch das Westtor, wendeten uns nach Süden und begannen den Ortskern zu umrunden. Wir sahen auch nur Häuser aus dem 19 Jh. Als wir aufgeben wollten, kam das ins Blickfeld:

chapelle des Templiers34440 Périès,   Ansicht von Südwesten

Hier gelang mir eine echte Premiere. Es ist das erste mal, dass ein Bild dieser Kapelle von Périès im Internet veröffentlicht wird. Der geneigte Leser mag sich vorstellen, in welche Aufregung man durch den Anblick einer solch unerwarteten „Jagdbeute“ versetzt wird. Das Glücksgefühl, was einen anlässlich  so einer „Entdeckung“ durchströmt, rechtfertigt alle vorherigen Strapazen solch weiter Reisen.

Aubarbier schreibt über Périès: .. la plus riche commanderie du Bas-Languedoc, commune de Nissan-lez-Enserune, qui conserve son enclos fortifié, un vieux puits et une eglise du XIIIe siècle au chevet à sept pans.

… die reichste Komturei des Nieder-Languedoc, in der Gemeinde Nissan-les-Enserune, die sich ihren befestigten geschlossenen Bezirk erhalten hat, einen alten Brunnen und eine Kirche aus dem 13 Jh., mit einer siebenseitigen Chorapsis. (Für das frz. Wort enclos gibt es keine rechte Übersetzung, hier am ehesten vielleicht Klosteranlage, sonst ummauertes Gehöft).

Chorapsis von Osten:

Detail von der Westfassade:

Mit „google maps“ bekommt man eine wunderbare Draufsicht auf den Ortskern von Périès, dem alten enclos du Temple

Copyright: google maps

Mit rot habe ich hier noch die Lage des Brunnens und der Kapelle bezeichnet. Die Eingänge von Norden und Westen sind klar zu erkennen, der Südeingang ist andeutungsweise zu ahnen. Ein Osttor gab es möglicherweise nicht. Insgesamt ist festzustellen, dass weder der Ortskern noch die Kirche nach den Himmelsrichtungen  ausgerichtet wären..

Das wäre nicht etwa eine Besonderheit. Obwohl der Magnetkompass im Mittelalter schon recht bekannt und die Benutzung des Standes der Mittagssonne alltäglich war, kann man bei einem Grossteil der mittelalterlichen Sakralbauwerke – die an sich nach Osten ausgerichtet sein sollten – einen gewissen Versatz zu der Ost-West-Achse feststellen.  Das liegt gewiss an unberechenbaren Faktoren wie dem Bauuntergrund, der Lage schon vorher vorhandener Strassen und Wege und vor allem der Grundstücksgrenzen. So etwas lässt sich auch am Stadtbild moderner Grosstädte feststellen.

Cassini-Karte von Périès

Als weiteren Beweis für die Lage der gesuchten Komturei in diesem Ort zeige ich noch diesen Ausschnitt aus der sog. Cassini-Karte von 1759. Unter dem Ortsnamen „Periex“ finden sich die vier Buchstaben „Comm.“ was die Existenz der Commanderie an diesem Ort abschliessend beweist. Der See am linken Bildrand, beschrieben in dieser und auch in aktuellen Karten noch als L’Etang de la Grangette, („Grange“ = Scheune nennt man auch landwirtschaftliche Untereinheiten der Templer) ist heute weitgehend ausgetrocknet. Seine ursprüngliche Lage wird noch durch den Verlauf zweier Entwässerungsgräben kenntlich gemacht. Auf den google Satellitenbildern kann man noch zahlreiche Tümpelchen an der Stelle entdecken, die früher der See eingenommen haben muß.

Folgender Link zeigt die Cassini-Karte von der Umgebung des Ortes:

http://www.notrefamille.com/34440-nissan-lez-enserune/cassini-cartes-58-8-4-ville-village.html

 

Damit war ein Teil des Rätsels um Peirois gelöst, aber noch nicht das Rätsel um die Nennung des Ortsnamens Peyrosio.

Bonnet beschwert sich in seinem zitierten Buch, dass seine beiden Autorenkollegen Léonard und Sabarthès diesen Ort identifiziert hätten mit Peyrens, einem hameau (Weiler), der sich auf dem Gebiet der Gemeinde Bizanet befände.

Die Nachschau ergab ein Peyrens bei Castelnaudary und eines bei Villerouge-Termenes, alles viel zu weit weg. Den Ort Bizanet gibt es selbstverständlich, er ist nahe bei Narbonne, aber man findet auch in der hochaufgelösten Karte kein hameau Peyrens bei Bizanet.

Bonnet schreibt:
„.. si on se réfère à la carte de Cassini, on peut constater qu’il existait une commanderie à Perieis, alors qu’à notre connaissance aucune tradition ne place une maison du Temple a Peyrens. Enfin tous les textes connus invitent à rechercher la domus de Petrosio dans les environs de Béziers et non dans le voisinage de Narbonne.“

(Wenn man die Cassini-Karte nimmt, kann man bestätigen, dass in Perieis eine Komturei bestand, ferner gibt es unseres Wissens nach keine Überlieferung eines Templerhauses in Peyrens. Schliesslich laden alle bekannten Texte dazu ein, das domus de Petrosio in der Umgebung von Béziers zu suchen und nicht in der Nachbarschaft von Narbonne.)

Die modernere Forschung scheint ihn widerlegt zu haben.

Aubarbier schreibt über Peyrens:

De Narbonne dépendaient deux autres commanderies: Peyrens, sa jumelle, sur la commune de Bizanet…

Auch nach Daniel Gaillard, Les haut-lieux Templiers, Nimes, 2005, Seite 425, befindet sich ein Peyrens auf dem Gemeindegebiet von Bizanet im Canton Narbonne. Die Templer von Peyrens hätten sich in 1261 zusätzlich noch in Laroque-de-Fa niedergelassen.

bei http://templis.free.fr/r_langue.htm heißt es trocken:

„- Peyrens, Bizanet, Narbonne, Commanderie“

zusätzlich wird Périès bestätigt:

– Périés, Nissan lez Enserune, Commanderie principale, reste l’enclos fortifié, un vieux puits & la chapelle du 13e.

Ein Grund, sich in Bizanet näher umzusehen. Das findet sich etwa 25 Km (Eine Tagesetappe !) südwestlich entlang der alten Trasse der via domitia in der Nähe des bekannten Inqusitionsklosters Fontfroide. Hier stiess die ebenfalls von den Römern befestigte Fernstrasse zum Atlantik über Toulouse und Carcassonne auf die via domitia, die sich dort weiter an der Küste nach Süden über Perpignan zur (heutigen) spanischen Grenze erstreckt. Der Grossteil der Santiago-Pilger aber verliess hier die via domitia, um dieser einmündenden Fernstrasse in Richtung Atlantik weiter zu folgen. Das zeigt die ungeheuer wichtige Bedeutung diese Wegekreuzes für das mittelalterliche Fernstrassennetz. Es verwundert nicht, dass sich die Templer gerade diese wichtige strategische Stelle für eine ihrer Niederlassungen aussuchten.

(Apropos: Habe ich schon erwähnt, dass es in Frankreich vielleicht mehr Niederlassungen des Templerordens [Man schätzt die Anzahl der commanderies dort auf bis zu 1600] gab, als Filialen einer weltbekannten US-amerikanischen Gaststättenkette für Schnellgerichte oder als Niederlassungen eines bekannten, mit einem roten Buchstaben beworbenen französischen Netzwerk-Systems von Supermärkten?)

Der mutmassliche Templerort Nevian liegt auch an dieser Wegverzweigung, aber dort war nichts templerisches zu finden. Auch der Ort 11200 Bizanet erwies sich zunächst auch als Flop. Kein Schild. Kein Hinweis auf die Templer. Eine Kirche, garantiert nicht aus der Templerzeit. Mehr eigenmächtig „zog“ uns das Navi nach Süden aus der Gemeinde heraus. Ehrlich gesagt gelüstete es uns auch schon eher nach einer gepflegten Abendmahlzeit unter Platanen. Und dann sahen wir ausserhalb des Ortes einen Friedhof mit einer Ruine:

 

 

Das schien doch noch ein Volltreffer zu werden. Auf dem Friedhofsgelände stand die Ruine einer Kapelle mit romanischem Schiff und gotischer Chorapsis:

 

Zudem gab es Reste anderer Gebäude bei der Kirchenruine zu entdecken. Anbauten, die nicht sakralen zwecken dienten. Sind das vielleicht die Reste der ehemaligen logis des Kommandeurs? Wie das bei einer bedeutenden Templerkomturei zu erwarten wäre?

Es gab zwar kein Hinweisschild auf die Templer, aber die Grösse des Areals entsprach durchaus einer Komturei, ausserdem befanden sich noch weitere Gebäudereste in der Nähe der Kirche, die weder neben einer Kirche noch auf einem Friedhof etwas verloren hatten und vielleicht die Scheune und andere Nebengebäude der Komturei darstellten. Von der Größe her passte das wunderbar zusammen.

Komturei von Peyrens/Bizanet?

 

Es beschlich uns das Gefühl, hier Neuland entdeckt zu haben. Aber es ist bislang nur pure Theorie, wir fanden nicht einen einzigen Beweis. Dennoch war das ein gelungener Tag und hat uns grossen Spass gemacht. Nach einem Pastis unter Platanen und einem anschliessenden üppigen Abendmahl zog ich folgendes

Fazit:

1. Es gibt in 34440 Périès (Hérault) eindeutige Reste, die den Schluß zulassen, dass hier eine ausserordentlich mächtige Commanderie errichtet worden war. Die Commanderie lag nicht irgendwo, sondern genau an der Strecke zwischen Béziers und Narbonne und damit auf der Trasse der via domitia, die die Römer zwar befestigt, aber nicht gebaut haben. Diese Fernstrasse existierte schon in vorrömischer Zeit, wie die unmittelbare Nähe zum Oppidum von Enserune beweist. Auch im provenzalischen Teil der via domitia reihen sich Keltenstätten an dieser Fernstrasse auf. Im Mittelalter verwandelte sich die via domitia zu dem südlichsten Santiago-Pilgerweg durch Frankreich. Damit unterstreicht sich die wichtige Funktion dieser Lage für die Templer.

2. Im Süden des Gebiets der Gemeinde 11200 Bizanet (Aude) – ebenfalls an dieser Fernstrecke – befinden sich Reste mehrerer mittelalterlicher Profangebäude und die Ruine einer Kirche aus dem 12./13. Jh., die in ihrer Anordnung zueinander, ihrer Grösse und der Grösse des bestandenen Areals Anlass für die Vermutung geben, dass es sich hierbei um die in der Literatur nur schlecht beschriebene Komturei Peyrens in Bizanet handeln könnte.

3. Es gibt danach in relativer Nähe zueinander wohl zwei Templereinrichtungen im Gebiet von Béziers und Narbonne, mit ähnlichem Namen. Ob es sich bei der einem oder der anderen um das Petrosio gehandelt hat, vermag ich aus den archäologischen Befunden nicht sicher zu schliessen. Nach der Aktenlage scheint Périès die wichtigere Kommanderie gewesen zu sein, denn es sind zahlreiche Würdenträger des Ordens namentlich bekannt. Die Grösse der Anwesen vor Ort und die geografische Lage spricht auch dafür, dass Périès die mächtigere Einrichtung des Ordens war.

P.S. Nachtrag zu den Templern in der Provence.

Eine Teilnehmerin der diesjährigen Reise in das Languedoc sandte mir das auf ihrer Rückreise nach Österreich entstandene Foto der festungsähnlichen Templerkirche von Hyères. Dort hatten die Templer einen nicht unbedeutenden Mittelmeerhafen für ihre mächtige Flotte. Vielen Dank für das Bild!

église des Templiers83400 Hyeres (Dept. Var)

Foto: Elisabeth Neufeldt-Schoeller, Wien

 

 

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