2016, Oktober, Catalunya Teil 3

Catalunya – Teil 3

Im Oktober 2016 bot sich nochmals die Chance, Ferien in dem schönen Haus in Masos de Pals zu verbringen. Weil es uns im Mai dieses Jahres dort so ausnehmend gut gefiel (siehe Templerreise Mai 2016) , liessen wir uns das nicht zweimal sagen und  brachen voller Vorfreude auf. Die Strapazen der sicherlich nicht gerade kurzen Anreise war spätestens am nächsten Morgen vollends verflogen, als wir auf der sonnenüberfluteten Terrasse die frisch gekauften Croissants und Avocados zum Frühstuck geniessen konnten. Die erste Woche verbrachten wir mit Ausflügen in die Umgebung, besuchten Märkte in verschiedenen Orten in der Nähe und genossen das mediterrane Leben. Der Pool war auch noch erträglich temperiert. Inzwischen gab es hier eine gute Internetanbindung, die mir half, die Reisen vor Ort noch viel genauer zu planen.

1.1 Comarca Vallès Occidental

Palau-solità i Plegamans

Im Mai war ich an dieser Station mehr oder weniger gescheitert. Wir hatten zwar an mehreren Stellen mittelalterliche Gebäudereste ausfindig gemacht, die auch den Templern zuzuordnen sein dürften, aber die Templerkapelle haben wir verpasst. Um diese „Scharte auszuwetzen“ , durchsuchte ich das Internet auf einen Lageplan der ehemaligen Komturei von Palau. Auf der Homepage cosasdelvalles wurde ich fündig:

palau.jpgQuelle: cosasdelvalles

Leider war die Beschriftung der Skizze nur schwer zu entziffern. Strassennamen waren nicht angegeben. Das Gewässer Riera de Caldes, das auf der Skizze breiten Raum einnimmt, erwies sich in natura eher als Bach. Die Kirche Santa Maria, die ich im März besucht hatte, war jedenfalls die Pfarrkirche von Palau. Sie muß sich deshalb in dem schwarz hinterlegten Bereich oben links auf der Skizze befinden, denn dessen Beschriftung lautet Parroquia de Palau-solità und Parroquia heisst Pfarrei. Die Beschriftung des schraffierten Bereiches rechts von der Mitte der Skizze lautet Antic recinte templer und links neben der Stelle steht Nucli de St. Magdalena. Nucli bedeutet Kern, Zentrum. Die kreisförmige Struktur „El Fernot“ soll die Stelle bezeichnen, an der sich einst eine Mühle befunden hat. Ich hatte mich an den Bach erinnert, aber der bot keine Orientierungshilfe, weil man dessen Verlauf und seine Krümmungen vom Auto aus nicht sieht. Ich musste also versuchen, auf google maps die Stelle zu finden. Es gelang:

palaumap.jpggoogle maps

Oben sieht man die Pfarrkirche Sta. Maria sowie die Carrer Templers, unten erkennt man die Carrer Templer Guido  nach Süden aus dem Kartenauschnitt hinauslaufen. Mit dieser Skizze und der daraus gewonnenen Erkenntnisse wurde ich nunmehr auch vor Ort fündig.

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Ansicht der Komturei von der Carrer Pompeu Fabra

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Nach dieser Tafel handelt es sich bei dieser Anlage, die im Privatbesitz steht, um ein Kulturgut von nationalem Rang. Es ist danach offensichtlich gestattet, das Gehöft auch zu betreten. Die Eigentümer betreiben hier Landwirtschaft und verkaufen ihre Erzeugnisse vom Hof. Ich klingelte vorsorglich, weil ich mich nicht wie ein Eindringling fühlen wollte. Die Inhaberin nahm an, ich wollte etwas kaufen. Als ich ihr sagte, ich wollte nur fotografieren, sagte sie, das wäre völlig in Ordnung. Und so gelang mir endlich der heiss ersehnte Fototermin mit Santa Magdalena:

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comanda Santa Magdalena de Palau de Vallès

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Die Kapelle ist aus dem frühen 12. Jahrhundert. Sie war offenbar lange als Stall genutzt.

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Auf dem Gehöft selbst war nur die Kapelle für meine Studien interessant. Die übrigen Gebäude sind zumeist modern und dienen als Abstellräume für Alltagsgegenstände. Zudem wollte ich die Privatsphäre der Eigentümer nicht unnötig beeinträchtigen.

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Ich verließ den Hof wieder und machte ausserhalb dieses vollständig ummauerten Innenbereiches noch einige Aufnahmen.

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Westliche Aussenmauer des Gehöfts. Für meine Begriffe ist das der Originalzustand aus dem Mittelalter.

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Gebäude ausserhalb der südwestlichen Ecke des Gehöfts, teilweise unter Verwendung mittelalterlicher Steine errichtet. (Möglicherweise auch Originialzustand?)

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Ein letztes Foto noch von einem links neben dem Haupteingang befindlichen Schuppen und mit diesem Blick verabschiedete ich mich aus Palau-solità und fuhr zurück nach Pals. Zum Abendessen wagte ich mich an die Zubereitung der ersten Paella meines Lebens. Damit sie auch zu den Eindrücken des Tages passte, wurde es eine Templer-Paella:

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2 Provincia de Lleida

Gardeny, Lleida

Für den nächsten Tag hatte ich mir vorgenommen auf der sogenannten „ruta del Temple“ soviele der berühmtesten Templerburgen Spaniens – oder besser gesagt, des damaligen Königreichs Aragon – wie möglich zu besuchen. Diese Burgenstrasse zieht sich von Monzón im Nordwesten bis nach Peniscola im Süden hin. Während wir bisher in Katalonien – mit der Ausnahme von Barberà de la Conca – nur die Kapellen der Templer vorgefunden hatten, standen hier nun mächtige Trutzburgen als wahre „Bollwerke der Christenheit“ gegen das inzwischen schon um einige hundert Kilometer nach Süden zurückgedrängte „Al Andalus“ , die es zu erforschen galt.

Screenshot 2017-02-25 10.59.45Quelle: La Ruta del Temple

Von Pals nach Gardeny in der Stadt Lleida waren es schon knapp drei Stunden. Nach Monzón hätte ich noch eine weitere halbe Stunde gebraucht. Das erschien mir zu weit und so entschied ich mich, in Lleida zu beginnen und dann vor Ort zu entscheiden, was mir an diesem Tag sonst noch gelingen würde.

Screenshot 2017-02-25 10.58.52

Quelle: ebreguia.com

Die Templerburg in Lleida heißt Castell de Gardeny. Und ich hielt es für eine extrem schlaue Idee, meinen Navi auf das Ziel: Carrer del Castell de Gardeny einzustellen. Damit begann eine neue trial-and-error Tournee durch Spanien. Leider gelang mein Aufbruch in Pals nicht vor 9:00 Uhr sodaß Lleida erst um 11:45 Uhr erreicht werden konnte. Ich hatte mich der Stadt von Süden genähert und die Brücke über den Fluß Segre passiert. Als ich auf einer sehr belebten Hauptstrasse in die Stadt hineinfuhr, meinte ich, ein nach links weisendes Schild mit der Aufschrift „Gardeny“ wahrgenommen zu haben. Der wuselnde Verkehr auf der vielspurigen Einfallstrasse verlangte aber meine ganze Konzentration und mein Navi zeigte mir, dass noch einige Kilometer vor mir liegen würden. Hätte ich nur nicht auf mein Navi gehört. Hätte, hätte, Fahradkette!

Ich durchquerte also die ganze Stadt. Lleida hat immerhin ca. 140.000 Einwohner. Ich hatte schon den nordöstlichen Stadtrand erreicht, aber von einem Hügel mit einer Burg war nichts zu sehen. Am „Ziel“ stellte sich heraus, daß die Carrer del Castell de Gardeny in einer Wohnsiedlung liegt und nur den Zugang zu reizenden Bungalows am Stadtrand erschließt. Also wieder zurück zu dem Punkt, an dem ich das Verkehrsschild wahrnahm. Es war ab dort überhaupt kein Problem, die Templerburg nach den Schildern zu finden. Ich fuhr den Burgberg hinauf, fand einen riesigen Parkplatz, machte mit vor Jagdfieber zitternden Händen die Kamera klar und – erlebte den Frust meines Lebens! Es war zu. Das Kassenhäuschen war nur bis um 12:00 besetzt. Die Anlage ist eingezäunt. Rien ne va plus! Fin de partie!

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Ich hetzte rüber zu Kassenhäuschen, weil ich dort eine Bewegung bemerkte. Es war gerade 5 Minuten nach zwölf und zwei Mitarbeiterinnen unterhielten sich noch beim Zuschliessen. Alles Beteuern, dass ich drei Stunden unterwegs war, um die Anlage zu besichtigen, half nichts. Man hätte Anweisung und es sei nichts mehr zu machen. Nicht einmal für fünf Minuten. Wäre ich gleich hierher gefahren, hätte ich es gerade noch geschafft. So blieb mir nichts anderes übrig, als durch den Zaun zu fotografieren.

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Haupteingang

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beeindruckendes Portal aus der Nähe

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nach Norden weisender Wachturm mit Blick auf Lleida

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Westfassade der Kapelle, die ziemlich genau nach Osten ausgerichtet ist

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Nach dem Hinweisschild erbauten die Templer die Anlage im Jahre 1156, nachdem der Graf von Barcelona, Ramon Berenguer IV ihnen diesen Hügel übereignet hatte.

Kurz bevor ich wieder zum nächsten Ziel aufbrechen wollte, gelang es mir noch, eine interessante Entdeckung zu machen:

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Im Erdreich versteckt tauchte eine Gewölbedecke auf, die eindeutig mit römischen Flachziegeln errichtet war. Ich würde nocheinmal hier her kommen müssen, um alle Versäumnisse nach zu holen und jetzt machte ich mich auf zu meiner zweiten Etappe.

3 Provincia de Tarragona

3.1 Comarca Ribera d’Ebre

Miravet

Ich entschied mich dagegen, noch weiter nördlich zu fahren und liess Montzón für dieses Jahr aus. Die Strecke zum nächsten Etappenziel Miravet beträgt ca. 85 Km in südlicher Richtung. Sie dauerte aber einiges über eine Stunde, denn die Strecke besteht nur aus Landstrassen. Das Ziel war nur noch 2,3 Kilometer entfernt, da tauchte ein kleines Verkehrschild nach Miravet auf und ging es von der Fernstrasse jäh nach rechts eine Böschung hinunter. Ich stand unvermittelt an den Gestaden des Ebro, des längsten spanischen Flusses. Die Fähre war ein echtes Abenteuer!

Miravet Fähre

Es dauerte ungewöhnlich lang, bis sie vom anderen Ufer losgemacht wurde. Es haben nur maximal 2 Fahrzeuge Platz. Die Fähre hat KEINEN MOTOR!! Sie wird allein durch die Strömung und die jeweilige Stellung des Ruders fortbewegt, wenn sie erstmal vom Ufer abgelegt hat. Die Fährleute müssen beim An- und Ablegen ganz schon schuften. Denn die Fähre muß mit langen Staken erst jeweils in die richtige Position gebracht werden, damit die Strömung sie dann auch in die gewünschte Richtung fortbewegt. Als mein 2 Tonnen schweres Fahrzeug auf die Fähre rollte, wurde sie zunächst beängstigend tief herabgedrückt. Aber es ging schließlich alles gut.

Und dann durfte ich mich auf einen wahrlich erhabenen Anblick freuen, den ich jetzt gleich mit Ihnen teilen werde. Ich hatte erst erwogen, zu den Bildern schlaue Kommentare zu verfassen. Aber schließlich siegte Idee, die Macht der Bilder einfach für sich sprechen zu lassen. Hier ist sie, meine erste richtige Templerburg Miravet:

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castell dels templers, 43747 Miravet, Tarragona

Die Burg ist nicht von den Templern errichtet worden. Sie entstand vielmehr durch Umbauten und Erweiterungen der bereits im sechsten Jahrhundert angelegten andalusischen Burg gegen Ende des 11. und Beginn des 12. Jahrhunderts (Quelle: Leaflet des Museu d’Història de Catalunya). Am 24. August 1153 gelang es Ramón Berenguer IV, dem Grafen von Barcelona, die starkbefestigte Burg von Miravet einzunehmen und dauerhaft zu besetzen (Fuguet, S. 99).  Auf Grundlage sogenannter Verträge von Girona übertrug der Graf die Burg zusammen mit umfangreichen Ländereien an die Templer und dazu sogar den Ort Miravet selbst (a.a.0., S. 100), der sich am Fuße der Burg befindet. Die Templer bauten dann ab der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts und im 13. Jahrhundert die Burg für ihre Zwecke weiter um (Leaflet).

Die nachstehende Skizze gibt einen Überblick über die Bauphasen. Die Erweiterungen der Templer sind grün eingezeichnet.

Plan(Quelle: Leaflet Museu d’Història de Catalunya)

Sind Sie neugierig auf das Innere der Burg geworden? Ja? Kann ich gut verstehen. Das ging mir auch so. Hier sind die Aufnahmen mit kurzen Erläuterungen.

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Blick auf den Ebro, flussabwärts (Richtung Tortosa)

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Refektorium von aussen (Nr.11) Blick nach Nordosten

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Waffenhof (Nr. 9)

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 Refektorium (Speisesaal, Nr. 11)

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Eingang in den Kornspeicher (Nr. 12)

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Weinkeller (Nr.14)

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Lager (Nr. 13)

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Kirchenschiff, Blickrichtung nach Osten (Nr. 16)

Die Burg von Miravet sollte vor allem in der Zeit nach der grossen Verhaftungswelle der Templer noch eine bedeutende Rolle spielen. Der König von Frankreich, Philipp IV, genannt ‚le Bel‘ hatte Anweisung gegeben, am Freitag den 13. Oktober 1307 alle Templer zu verhaften. Die übrigen Länder – etwa – England, taten dem nicht gleich und warteten auf Signale vom Papst. Auch der Papst Clemenz V war zunächst nicht einverstanden mit dieser eigenmächtigen Maßnahme des französichen Königs (Demurger, S. 244) . Nachdem durch Philipps Verhörmethoden jedoch rasch erste „Geständnisse“ über vermeintliche Ketzereien von den Inhaftierten erlangt worden waren, begann der Papst, seine Haltung zu überdenken und mit ihm auch andere europäische Herrscher. Die fünf spanischen Königreiche reagierten auch untereinander unterschiedlich. Jaume II, Graf von Barcelona und König von Aragon, zögerte zuerst, obwohl er über den gemeinsamen Großvater Jaume I, den Eroberer, mit dem französichen König Philipp verwandt ist. Er hatte den Templern einiges zu verdanken, konnte und wollte sich aber auch keinen Bruch mit dem Papst leisten. Er handelte erst ab dem 1. Dezember 1307. Verhaftungen gelangen ihm aber zunächst nur in Valencia (a.a.0). Im Norden von Aragon machten die Templer Schwierigkeiten. Sie widersetzten sich den Verhaftungen und verschanzten sich – unter der Führung des Präzeptors der Komturei Mas Deu Raymund Sa Guardia, der den Rang eines Lieutenant du Maître du Temple pour la province d’Aragon innehatte (Abbé Capeille, Dictionaire de Biographies Roussillonaises, S. 251) – in den Burgen von Miravet, Asco und Montzón (aaO, S. 245).  Ab dem 8. Dezember1307 schrieb Sa Guardia zahlreiche Briefe an den König Jaume II von Aragon und versuchte, um diesen davon zu überzeugen, dass seine Templer aufrechte Christen und alle Häresievorwürfe gegen den Orden Erfindungen und Verleumdungen sind. (Robert Vinas, Le Procès des Templiers du Roussillon, S. 55ff).

Die Haltung des Königs in diesem Konflikt läßt sich recht deutlich aus einem knappen und staatsmännisch distanzierten Brief des Königs an Sa Guardia vom 15. Dezember 1307 ablesen: „Ihnen, Ramon Saguardia, antworte ich, daß ich sehr gut weiß, dass die Templer von meinen Vorgängern viele Güter und Gefälligkeiten erhalten haben. Die Templer haben zu zahlreichen Gelegenheiten den meinen und auch mir selbst gut gedient.“ Seine jetzigen Handlungen gegen die Templer erklärte der König so: „Ich handele, wie ein katholischer Prinz handeln muss … ich werde der Wahrheit und der Justiz folgen.“  (aaO, S. 56). In der Folge belagerte der König von Aragon die Burgen und parallel geführten Verhandlungen zogen sich bis August 2008 hin (Demurger, S. 245). Miravet kapitulierte erst im November 2008 (a.a.O) und die Übergabe wurde am 12.12.1308 vollzogen.  Zuvor, am 7.12.1308, hatte Jaume II dem Templer noch geschrieben, daß er sich in allen seinen Handlungen oder Unterlassungen an die Vorschriftes des Papstes halten würe. Er endete diesen Brief mit der Wendung: „Sie sollen dennoch wissen, dass ich Sie gütig behandeln werde.“ Um seine Würde zu erhalten, lieferte Ramon Saguardia sich nicht selbst aus. Die Soldaten des Königs fanden ihn schließlich zwei Tage später beim Gebet (Vinas, S. 74). Sa Guardia wurde schließlich in das zum Königreich Mallorca gehörende Rousillon ausgeliefert. Auch der König von Mallorca konnte sich dem Druck des französischen Königs nicht dauerhaft widersetzen und verhaftete schließlich die dort befindlichen Temple. Nach  Napp, Templerlexikon  erklärte Sa Guardia Im Verhör durch den Bischof von Elne, die Anschuldigungen seien „‚entsetzlich, schamlos und diabolisch‘ [horribles, extraordinairement affreux et diaboliques, vgl. Dictionnaire de biographies roussillonnaises de l’abbé Capeille (1914)], und bekannte, daß die Aufnahme der Brüder nach dem durch die Regel vorgeschriebenen Ritus und gemäß dem Glauben der Kirche erfolge.“ (Napp, aaO). Der Erzbischof von Tarragona  erklärte ihn daraufhin für unschuldig  und straffrei und wies ihm eine lebenslänge Rente zu (Dictionnaire de biographies roussillonnaises de l’abbé Capeille (1914). Nach Arnaudiès, Les templiers en Roussillon, S. 33, betrug die Rente 350 livres, die Sa Guardia auf seinem ehemaligen Sitz, der commanderie von Mas Deu noch bis ins Jahr 1319 geniessen konnte.

3 Provincia de Tarragona

3.2 Comarca Baix Ebre

Tortosa

Ich stieg also wieder die Burg von Miravet hinab und hoffte, auf dem Rückweg nicht mehr mit der Fähre fahren zu müssen. Der Umweg wäre aber beträchtlich gewesen, sodass mir leider keine Wahl blieb, als nochmal den Fährmann quälen zu müssen. Er pries sein Fahrzeug stolz als die umweltfreundlichste Fähre, die es gäbe und er hatte sichtlich Spaß an seinem Job. Auf seine Gelassenheit kann man nur neidisch sein. Es war eine ungeheuer archaisch anmutende Erfahrung. Ich bezahlte, wie es alter Brauch ist, erst am anderen Ufer, schaute mich kurz wehmütig um und steuerte – noch nichts ahnend – auf mein nächstes Scheitern zu.

Die Strecke bis Tortosa war nicht weit, knapp 50 km. Ich wollte in die Altstadt gelangen und hatte gehofft, dass dort vielleicht steinerne Zeugen der Templerzeit von Tortosa mit Hinweisschildern angezeigt werden würden. Ich hatte mich wieder mal nicht richtig vorbereitet, und diesmal rächte sich das richtig. Ich wußte nicht, dass es erstens im Stadtbereich nur eine einzige Brücke gibt, die Pont de l’Estat, die aber zweitens wegen Bauarbeiten derzeit gesperrt ist. Und so zockelte ich im einsetzenden Berufsverkehr erst mal eine ganze Weile hin und her, bis sich schließlich – weit ausserhalb der Stadt – eine Brücke fand. Damit war ich aber noch nicht am Ziel. Tortosa ist nicht sehr groß, es hat 34.000 Einwohner, aber groß genug, um unübersichtlich zu sein. Die Altstadt erwies sich teilweise als etwas eng  für mein Auto und ich hatte keine Ahnung, wonach genau ich eigentlich suchen sollte. Die Burg aus dem 10. Jahrhundert hat mit den Templern nichts zu tun, außerdem hat man sie in ein Hotel verwandelt. Ich wußte, dass die Templer in Tortosa ganze Stadtbezirke beherrscht hatten. Allerdings hatte ich keine Erinnerung daran, wo diese sich befunden haben und in wieweit davon heute noch etwas übriggeblieben ist. Ich hatte mir im Internet einige Türme angesehen, die den Templern zuzuordnen wären und naiv gehofft, diese würden vielleicht beschildert sein. Also fuhr ich auch in der Altstadt mehr oder weniger planlos durch enge Gassen ohne Parkmöglichkeiten, in denen zudem spontan nichts mittelalterliches zu entdecken war. So langsam bekam ich Hunger und wollte einfach nur noch heim.

Plötzlich tauchte ein geräumiger Platz vor mir auf, nachdem ich gerade wieder einer engen Sttrasse entkommen war. Und ich fand dort einen freien Parkplatz. Ausserdem hatte ich mittelalterliche Gemäuer erspäht. Also den Foto herausgeholt, um die „Jagdbeute“ einzufangen.

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 Teile der Stadtmauer im Nordosten von Tortosa,
Plaça de Mossèn Sol

Hinter mir erhob sich eine mächtige mittelalterliche Mauer ohne Fenster. Es war vor Ort nicht ersichtlich, zu welchem Gebäude diese Mauer gehörte. Ich tippte auf eine Kirche, was sich bei der Nachbearbeitung als zutreffend herausstellte.

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Tortosa, Carrer de la Mare de Déu de la Providencia

Spätere Nachforschungen ergaben, dass es sich bei der Mauer um die Südfassade der Kirche Sant Domènec handelt, die offenbar teilweise unter Verwendung der Stadtmauer von 1370 im Jahre 1585 errichtet wurde (tortosa antiga).

Da keine Schilder oder sonstige Hinweise vorhanden waren und ich auch noch drei Stunden Rückfahrt vor mir hatte,  brach ich mein erfolgloses Herumsuchen hier ab und stellte fest, dass ich hier noch einmal würde herkommen müssen. Aber nicht ohne mich umfassend vorzubereiten.

In Pals angekommen, beschaffte ich mir erst einmal altes Kartenmaterial von Tortosa. Auf der Verkaufsseite für alte Stiche und Landkarten www.frame.es wurde ich fundig:

Screenshot 2017-02-25 12.04.49

Quelle: www.frame.es

Rechts im Bild sieht man recht deutlich die Markierung Porte du Temple. Die Karte ist aber nicht nach norden ausgerichtet. Die (heute noch vorhandene) Strasse, die die Stadt hier nach rechts verläßt, führt in der Realität nach Süden. Auch in dem Buch von Fuguet und Plaza befindet sich eine Karte, die noch sehr viel mehr Details zeigte:

Fuguet Tortosa

Quelle: Joan Fuguet

Mit dem Auto würde es keinen Sinn machen, die schraffierten Bereiche untersuchen und ich überlegte, beim nächsten Besuch von Tortosa eventuelle Gebäudereste auf Spaziergängen zu identifizieren. Doch dann las ich bei Fuguet eine Seite weiter einen einzigen, irgendwie  deprimierenden Satz, der mir diese Mühe abnehmen würde: „No se conserva nada de la sede del Temple en la ciudad, que, como en las villas importantes, ha sucumbido al poder de la especulación urbana“. Es ist nichts mehr übrig geblieben von der Niederlassung der Templer in der Stadt. Wie in wichtigen Städten sind diese der Macht der städtischen Spekulation erlegen (Fuguet, S.98). Fuguet beschreibt aber drei Türme der Templer aus dem 13. Jahrhundert. Diese befinden sich z.T. weit ausserhalb der Stadt:

  1. Torre del Prior, 3 km nördlich
  2. Torre de Campredó, 13 km südöstlich und
  3. Torre de Burjassènia, 16 km südöstlich.

Alle diese Türme stehen am Flußlauf des Ebro strategisch günstig, dass sowohl die Fernstrassen, als auch der Fluß selbst, ständig überwacht werden konnten. Der Turm von Campredó steht zudem auf einem Hügel  (Localització: N 40 44 46 E 00 34 46. Altitud 32 m. , Ricard Ballo, Catalunya Medieval) . Die Legende will, dass zwischen diesem Turm und einem auf dem anderen Flußufer befindlichen Hospital eine Kette gespannt war, mit dem man das Einlaufen von Schiffen kontrollieren konnte (Fuguet, S. 98). Meine Nachforschungen haben inzwischen ergeben, dass der Torre del Prior heute als Ferienunterkunft ausgebaut ist und gleich meine Familie und mich gleich erstmal  für Herbst 2017 dort eingebucht. Ich bat Ricard Ballo, seine hervorragenden Fotos vom Torre de Campredó für diesen Bericht verwenden zu dürfen. Er hat mir das – wie stets – freundlich gestattet und mir hoch aufgelöste Bilder zur Verfügung gestellt. Ich bitte Sie, der Seite catalunya medieval zur Vorbereitung Ihrer Urlaubsreisen in die Region Ihren Besuch abzustatten. Sie finden auf der Startseite durch Anklicken Ihrer Zielregion für jede comarca hervorragende Fotos von Burgen, Türmen und mittelalterlichen Gebäuden. Das kann dazu beitragen, Ihren Urlaub besonders unvergesslich zu machen. Vorsicht: Es kann süchtig machen…..

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OLYMPUS DIGITAL CAMERA copyright Ricard Ballo, used with kind permission of the holder

Torre de Campredó, Tarragona, copyright Ricard Ballo

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Beim Anblick gerade dieses Bildes wurde mir urplötzlich die besondere strategische Situation der Stadt Tortosa überdeutlich: Der zweitlängste Fluß der iberischen Halbinsel (=der längste Fluß Spaniens) verbindet hier das Hinterland Spaniens über den wichtigen Seehafen Tortosas (vg. Terres de l’Ebre) mit dem Mittelmeer. Es liegt auf der Hand, dass  – auch seit vorrömischer Zeit – für Fernstrassentrassen besonders die Flußläufe bevorzugt wurden (vgl. etwa Donau, Rhein, Seine, Loire, Rhône), nicht zuletzt um unnötige Steigungen zu vermeiden und die Beherbergungsstationen doppelt effektiv zu machen. Das galt natürlich besonders auch für den Ebro, zumal das Küstenhinterland Kataloniens sehr hügelig ist. Der Fluß verbindet die Küste direkt mit Zaragoza (Saragossa) und indirekt über den Segre, der bei Mequinenza in den Ebro mündet, auch mit Lleida und den Templerbesitzungen in der Comarca Segria. Auf diese Weise sicherten sich die Templer den raschen Abtransport der in Ihren Komtureien dafür bestimmungsgemäß erzeugten Produkte ins heilige Land.

Aber das war noch nicht alles. Der Verkehrsknotenpunkt südlich von Tortosa verbindet das spanische Hinterland und den Seeweg zusätzlich mit der Küstenstrasse von Narbonne über Girona, Barcelona und Tarragona bis nach Peniscola. Das heisst, die Templertürme um Tortosa dienten auch zur Überwachung des Fernverkehrs auf der Küstenstrasse. Die berühmte Römerstrasse Frankreichs, die via domitia,  die im Languedoc als Küstenstrasse die Städte Nimes, Montpelllier, Beziers und Narbonne verbindet, setzt sich über die Pyrenäen fort.

Es war an der Zeit, mal eine Karte der Römerstrassen zu Rate zu ziehen:

Römerstrasse.jpg

 

Quelle: Wikimedia

Reduzieren wir den Kartenausschnitt von Spanien, wird die besondere Bedeutung des Verkehrsknotenpunktes noch deutlicher:

Ebro Römerstrasse

Quelle: Wikimedia

Tarraco = Tarragona, Caesaraugusta = Saragossa, Castra Legionis = Leon, Brigantum = La Coruña.

Der Kartenausschnitt zeigt, dass die alte Römerstrasse Via Domitia sich über Tarragona hinaus bis zur Ebro-Mündung – also bis Tortosa, wo die Römer schon einen Hafen betrieben haben könnten (Wawrzinek, In portum navigare) – fortsetzt. Von Saragossa erschließt das Römerstrassennetz zudem gleich drei wichtige Atlantikhäfen Lissabon, La Coruña und Bordeaux, was den Warenaustausch mit England beträchtlich erleichtert haben dürfte. Ab Tortosa nannte man die Römerstrasse Via Herculea. In Galizien und Leon waren die Templer auch begütert und in Saragossa reichlich, sodass davon auszugehen ist, dass die alten Verkehrswege der Römer auch in der Templerzeit ihre Bedeutung noch nicht verloren haben werden. Nach Süden hatten sich die Templer bis nach Peniscola und Xivert ausgebreitet. Die Stadt Tortosa dürfte damit als Hauptverkehrsknotenpunkt eine der wichtigsten Gründungen der Templer auf der spanischen Halbinsel dargestellt haben.

Ich werde die Region bald wieder bereisen dürfen, und zwar im Mai und im Oktober 2017. Freuen Sie sich mit mir auf hoffentlich viele spannende Berichte aus dem Jahr 2017.

 

 

 

 

 

 

 

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