Ende August 2022 hatte meine Frau einen Besuch der Tochter in Barcelona geplant. Ich nutzte die Fahrt zum Flughafen Frankfurt-Hahn und drei Tage Freizeit, um einige naheliegende Templer-Orte zu untersuchen. Schon bei der Planung der Reise fiel mir auf, dass viele dieser Orte in einer Reihe zu liegen schienen und dass die Distanzen dazwischen häufig um die 30 km betragen.
Die erste Komturei auf meiner Liste war Roth an der Our, unmittelbar an der Grenze zu Luxemburg. Die Adresse lautet Schloss Roth, Johanniter-Straße 17, Roth an der Our.
Blick auf die Templerkapelle von Norden. Sowohl im Westen, als auch im Osten fällt das Gelände recht steil ab.
Ein teilweise wieder freigelegtes Tympanon eines Seiteneingangs.
Innenansicht des Kirchenschiffes.
Westpforte mit Kreuz aus der Johanniter-Zeit.
Torturm zum Schloss Roth
Johanniter-Schloss, jetziger Bauzustand seit 1733. Der Treppenturm ist noch aus dem Mittelalter. http://www.schloss-roth.de/
Blick auf den Ostchor vom tieferliegenden Fußpfad.
Die nächste Etappe erreichte ich schon in wenigen Minuten. Vianden in Luxembourg.
Templerkirche St. Nicolas, Rue du Sanatorium 6, Vianden.
Blick von Westen auf den Haupteingang.
Innenraum, Blick in den Ostchor.
Die Figur eines Tempel-Ritters mit Umhang neben einer knienden Person an der gegenüberliegenden Hausecke.
Von Vianden hielt ich sodann Kurs auf die Hauptstadt Luxemburg. Die Strecke beträgt knapp 50 km und verläuft recht gradlinig. Nach 11 km in südlicher Richtung erreicht man Diekirch. Dort befand sich das Tempel-Haus von Gilkirch (Jan Hosten, De Tempeliers in de Lagelanden, 2020, S. 369). Nach weiteren 12 km südlich erreicht man den Ort Fels, in dem die Templer ein Haus besaßen (Hosten, a.a.O). Weitere 25 km südlich brachten den Reisenden nach Luxemburg, der Hauptstadt, wo die Templer am Marché-aux-Herbes (a.a.O.) ein Haus besessen haben sollen. Ich habe die Orte nicht auf meine To-do-Liste gesetzt, weil von den Tempel-Häusern nichts mehr übrig ist.
Mein nächstes Etappenziel lag 27 km weiter südlich: die Templerkirche in Cattenom, Frankreich.
Saint-Martin, Cattenom, Rue de l’Eglise.
Das Kirchenschiff stammt aus 1831 https://de.wikipedia.org/wiki/St-Martin_(Cattenom).
Interessant ist der Kirchturm aus dem 11. Jahrhundert. Er ist als Wehrturm ausgeführt (a.a.O).
Blick von Osten auf die Kirche, an die sich unmittelbar Profangebäude anschließen. Man hat den Eindruck, dass hier die Komturei der Templer untergebracht war, die später von den Deutschordens-Ritten übernommen wurde (Wikipedia, a.a.O.).
Weiter in Richtung Süden befindet sich die nächste Templer-Station in Pierrevillers, ca. 28 km entfernt von Cattenom, immer direkt an linken Ufer der Mosel entlang.
Gebäude der ehemaligen Commanderie.
https://www.passion-patrimoine.fr/spip.php?article41
Zur Übernachtung ging es nach Metz. Der Ort liegt ziemlich genau 15 km südlich von Pierrevillers. Die Fahrt war – nach einem Stau auf der Autobahn in Luxemburg – doch recht anstrengend. Ich suchte also sofort mein Hotel in der Altstadt von Metz auf und hatte es nur ein paar Schritte zu einem gemütlichen Restaurant.
Die Templerkapelle von Metz (Aufnahmen von 2019).
Das erste und einzige Mal bestand in 2019 die Gelegenheit, die Kapelle von innen zu besichtigen.
30 km südlich von Metz befindet sich die nächste Templer-Station in Pont-à-Mousson, die ich auch nicht auf dieser Reise aufgesucht habe. Ich zeige daher Bilder dieser Komturei aus dem Jahre 2021.
„nomen est omen„
Seitenapsis nach Südwesten.
Weihwasserbecken.
Für diese Templer-Niederlassung wurde eine besonders geschickte Position gewählt. Der Blick geht über das Moseltal und die Fernstraße nach Südwesten.
Von hier geht es weitere ca. 30 km nach Südwesten zum großen Teil unter Ausnutzung alter Landstraßen, die schnurgerade verlaufen. Dort trifft man auf die nächste Templer-Station in Libdeau bei Toul.
Der Verdacht liegt nahe, dass es sich hier um die Römerstraße von Metz nach Lyon, die Via Agrippa, handelt. Aber sehen wir uns auf dem Gelände der Komturei noch etwas um:
Seit meinem ersten Besuch im Jahre 2008 ist zur Erhaltung des Bauwerks viel getan worden:
Das nächste Ziel war das eigentliche Highlight dieser Reise. In seinem Buch La France des Templiers erwähnt der Autor Jean-Luc Aubarbier auf Seite 53, dass sich in der Gegend ein Templer-Haus und eine Kapelle an einem Ort, der Chapelle-Saint-Evre genannt würde, befinden soll. Auf Landkarten findet man diesen Ort nicht. Eine Kirche Saint-Evre gibt es in einer Gemeinde des Namens Sepvigny. Im Internet entdeckte ich Bilder von einer Friedhofskapelle mit mittelalterlichen Malereien, die in die Liste hochrangiger geschützter Kulturgüter des nationalen Erbes eingetragen war.
Den ganzen Tag schon fieberte ich auf dieses Ziel zu und die letzten 30 Kilometer von Libdeau zu meiner letzten Station schienen sich – wie immer, wenn es auf den Höhepunkt zugeht – ewig in die Länge zu ziehen. Die Straßen wurden immer enger und die Fahrbahn immer schlechter, als etwa bei 15 Kilometern restlicher Fahrstrecke mein Karma wieder zuschlug. Mit einem lauten Knall verabschiedete sich ein Hinterreifen und ein grässlich rumpelndes und klatschendes Geräusch machte mir klar, dass meine Reise hier im Nirgendwo Lothringens nun zu Ende sein würde. Ich rollte auf den Parkplatz eines Friedhofs, stellte das Auto ab und überdachte meine Situation. Ein Ersatzrad hatte ich nicht dabei. Das gibt es bei solchen Fahrzeugen offenbar nicht mehr. Es war unglaublich heiß, etwa 35 Grad. Ich hatte nur noch einen halben Liter Wasser und der war schon seit Stunden brühwarm. Ich würde nicht nur heute Abend nicht im großzügigen Pool meines Hotels baden können, sondern vor allem auch das Hauptziel meiner Reise und die sensationellen Wandgemälde nicht mehr sehen und knipsen können. Die Chancen, hier etwas zu trinken zu bekommen, schätze ich als sehr gering ein. Es gab weit und breit keine Geschäfte oder Tankstellen. Natürlich war auch keine Menschenseele in dieser Gluthitze unterwegs. Zu Fuß hätte ich die 15 Km nicht gewagt. Das Nachdenken half.
Im Aschenbecher ruhte die Karte des Automobilclubs und dort erreichte ich einen überaus hilfreichen und kompetenten Mitarbeiter, der meine Daten aufnahm und mithilfe meines Handys meinen genauen Standort ermittelte. Er sagte, es müsste innerhalb von 60 Minuten jemand kommen, sonst solle ich nochmal anrufen. Während ich prüfte, wie weit wohl die nächste größere Stadt entfernt sein wurde, näherte sich ein monströser Abschleppwagen und hielt neben mir an. Ich hatte nicht einmal zehn Minuten warten müssen:
Der Fahrer stellte sich als Inhaber einer Werkstatt vor, die keine 5 Km von hier entfernt sei. Er werde mich nicht nur selbst dorthin bringen, sondern auch eigenhändig meine Panne beheben und einen neuen Reifen montieren. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er passende Reifen auf Lager haben würde, und begann mir die Wartezeit und die Kosten der Reparatur auszurechnen. Er winkte einfach nur ab, als er mein besorgtes Gesicht sah, ließ mich in das Führerhaus hinaufklettern und nach 5 Minuten waren wir am Ziel. Die Reparatur hatte keine 30 Minuten gedauert und mein Auto war wieder einsatzbereit!
Die letzten 15 km flogen an mir vorüber und ich befand mich auf der Zielgeraden zwischen Chalaines und Sepvigny, als mir wieder auffiel, dass die Landstraße D145G wiederum ziemlich schnurgerade und parallel nahe dem rechten Ufer der Meuse (Maas) verlief. Das war sie, die Via Agrippa. Jetzt hatte ich den Beweis. Am Straßenrad tauchten schon Hinweisschilder auf die beiden Kulturdenkmäler („Patrimoine classé“) auf und mein Jagdfieber machte mich kribbelig.
Einen Kilometer weiter tauchte rechts neben der Landstraße ein winziger Friedhof mit einer alten Kapelle auf und das war die, die ich so sehnlichst suchte! Ich war am Ziel und schöner konnten meine Ungeduld und die Strapazen nicht belohnt werden.
Chapelle du Vieux-Astre, 55140 Sepvigny
Blick von der Kapellen-Einfahrt nach Nordosten: die Römerstraße Via Agrippa!
Blick auf die Kapelle von Südosten….
… und von Westen auf den Eingang.
Es war schon von weitem zu erkennen, dass der Eingang durch eine vergitterte Metalltür versperrt war, was mich sehr enttäuschte. Die wohl älteren Bilder im Internet zeigen noch eine nur halbhohe Holztür, die zwar das Betreten verhindert, aber den Blick auf die Wandgemälde erlaubt. Als ich näherkam, stellte ich fest, dass die Gittermaschen groß genug waren, um die Malereien mit dem Handy zu fotografieren. Es war zu hell, um die Ergebnisse vor Ort zu überprüfen. Ich machte also durch verschiedene Gittermaschen etwa 10 Fotos und stellte später fest, dass einige darunter recht gut gelungen waren:
Mittelalterliche Wandgemälde.
Ich verweilte noch ein bisschen an diesem wunderbaren Ort und freute mich sehr darüber, dass ich noch in den Genuss kommen durfte, an diesem Tag mein Traumziel zu erreichen. Aber es gab noch mehr zu tun. Ich musste noch die geheimnisvolle Kirche Saint-Evre finden. Es waren nur noch wenige Kilometer und die Kirche war schon von weitem zu auszumachen, als ich auf den Ort Sepvigny zufuhr.
Da stand sie nun vor mir, die berühmte Chapelle Saint-Evre in Sepvigny.
Blick von Südwesten
Blick von Südosten auf den Chor und das Glockentürmchen. Man sieht romanische und gotische Bauelemente von verschiedenen Bauabschnitten.
Auch innen erkennt man romanische und gotische Bögen aus verschiedenen Bauabschnitten. Teilweise konnte die begonnene Mittelachse nicht symmetrisch gehalten werden.
Der Ostchor und der Altarraum.
Mit diesem Blick vom Altar auf den Haupteingang im Westen verabschiedete ich mich von meinem Traumziel.
Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich mein neues Hotel am Stadtrand von Metz noch bei allerschönstem Nachmittagswetter erreichen und noch genügend Zeit und Gelegenheit haben würde, den exzellenten Pool ausgiebig zu nutzen. Ich beschloss den Abend dann mit einem fürstlichen Abendessen (z.B. Beignets vom Églefin mit Meerrettich und Tomatenschaum als Vorspeise….) und verlieh meiner Reise fünf Sterne. Es war ein toller Tag, trotz der Panne. Alles hat wunderbar geklappt.
Ich hatte schon in meinem Beitrag vom Mai 2018, „Grand-Est: Nachträge für Elsass, Burgund und Champagne“ (http://menzendorff.de/?p=2049) nachgewiesen, dass die Via Agrippa auch im übrigen sehr dicht und auffallend regelmäßig Templer-Orte passiert. Von Metz sind es 60 Km nach Libdeau bei Toul. Von dort wiederum ist Bazoilles-sur-Meuse ebenfalls 60 km entfernt und in weiteren 60 Km liegt die Bischofs- und Templerstadt Langres:
Eine römische Meile sind ca. 1,5 Km. Der Abstand von je 30 km zwischen den Stationen ist danach nicht zufällig. Er entspricht 20 römischen Meilen und einer klassischen Tagesetappe. Manche Templerorte sind auch nur ca. 15 km auseinander, so wie Cattenom und Metz. Andere sind 60 km auseinander, so wie Bazoilles und Langres.
Der Ort Sepvigny teilt die Distanz zwischen Libdeau und Bazoilles-sur-Meuse fast genau in zwei Hälften von je 30 km. Die Templer haben sich – besonders für wichtige Fernwege – an dem Straßennetz der Römer orientiert und sich dieses teilweise zunutze gemacht. Und die Stationen haben Distanzen zueinander, die jeweils das zehn- zwanzig oder vierzigfache einer römischen Meile betragen. Q.e.d.